Nutzpflanzen in historischen Gärten

Die Schlossgärtnerei im Muskauer Park


Geschichte der Schlossgärtnerei

Obst- und Gemüsegärten waren bereits im 17. Jahrhundert ein fester Bestandteil des Schlossumfeldes in Muskau. Die barocken Strukturen vereinten Zier- und Nutzfunktionen. In dieser Zeit war Curt Reinicke II. von Callenberg (1651-1709) Standesherr, gefolgt von seinem Sohn Johann Alexander von Callenberg (1697-1776).

1811 übernahm Hermann Graf von Pückler (1785-1871, ab 1822 Fürst von Pückler-Muskau) die Standesherrschaft von seinem Vater und legte in den darauffolgenden Jahrzehnten den noch heute berühmten Landschaftspark an. In den ersten Jahren entfernte und überformte Pückler einen großen Teil der barocken Strukturen. So wurde auch die westlich des Schlosses gelegene Orangerie abgerissen und durch einen Neubau unweit der Neiße ersetzt. Die Obst- und Gemüsegärten fanden am Schlossvorwerk einen neuen Platz. Sie verschwanden damit aus dem unmittelbaren Umfeld des Schlosses, lagen aber dennoch im Zentrum des Parks.

Die von Pückler 1834 in seinen "Andeutungen über Landschaftsgärtnerei" veröffentlichte "Karte der Orangerie Häuser und des ganzen Etablissements zum Betrieb der Gärtnerey" (sog. Plan D) dokumentiert seine Vision für das Gärtnereiensemble. Demnach waren zwei Orangerien, Wintergärten, Treibhäuser, Wein- und Ananashäuser, Talutmauern, Frühbeete und Prellkästen sowie geometrisch angeordnete Beete geplant. Die Realisierung erfolgte jedoch in deutlich kleinerer Dimension.
Die Gestalt der Gärtnerei zum Ende der Pücklerzeit veranschaulicht der Plan von 1847. Doch auch er zeigt nicht gänzlich die damalige Situation, da die dargestellten Gebäude zum Teil einer Planung entsprechen, die nur partiell umgesetzt wurde. Die Freiflächen der Schlossgärtnerei umfassten damals ca. 2 ha.

Fürst Pückler ließ 1833/34 nachweislich ein Ananashaus errichten. Im Jahre 1842 folgte der Bau eines weiteren Gewächshauses. Die Gebäude besaßen gläserne, nach Süden gerichtete Pultdächer. Eine Frucht- und Talutmauer bot Platz zur Kultivierung von Spalierobst und auf kleinparzellierten, regelmäßig angeordneten Beetflächen wurde Obst und Gemüse angebaut.

Die letzte große Maßnahme zur Fürstenzeit war der Bau einer neuen Orangerie 1844, die das Gebäude aus Pücklers Anfangszeit ersetzte und deren Entwurf auf Ludwig Persius (1803-1845) zurückgeht. Dieses Bauwerk ist heute noch erhalten. Über die in der Orangerie untergebrachten Pflanzen gibt eine Inventarliste von 1852 Aufschluss. Demnach bot sie Quartier für 54 große, 46 mittlere und 40 kleine Orangenbäume sowie 12 Granatapfelbäume, 12 Oleander und 6 Feigenbäume in Kübeln.

Ergänzend zur Schlossgärtnerei hatte Pückler östlich der Neiße die "Fürstliche Baumschule zu Muskau" angelegt. In ihrem Sortiment waren auch verschiedene Sorten an Apfel-, Birnen-, Kirsch- und Pflaumenbäumen, Weinreben, Mispelbäumchen und Quittensträuchern, Stachelbeeren, Johannesbeeren, Himbeeren, Erdbeeren, Spargel- und Artischockenpflanzen sowie später auch Aprikosen- und Pfirsichbäumen sowie Walnuss und Haselnuss zu finden.

Nach Fürst Pückler übernahm Prinz Friedrich der Niederlande (1797–1881) die Standesherrschaft. In seiner Wirkzeit wurde die Schlossgärtnerei durch Reparaturen instandgehalten sowie durch Um- und Neubauten von Treib- und Gewächshäusern, Mistbeetkästen, Ananaskästen und Wasserkästen weiterentwickelt. Die meisten der noch erhaltenen Gärtnereigebäude stammen deshalb wahrscheinlich aus dieser Ära.

In der Phase der Industrialisierung im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert verkleinerten Neubauten im unmittelbaren Umfeld der Schlossgärtnerei – insbesondere einer großen Holzstoff- und Papierfabrik an der Neiße – das Areal deutlich. Anfang der 1920er Jahre wurden deshalb in der östlich der Neiße gelegenen Baumschule ein ergänzendes, großzügiges Gärtnereigelände mit Gewächshäusern sowie einem Palmenhaus errichtet. Diese Bauten hatten neben ihrer Funktion der Pflanzenproduktion auch repräsentativen Charakter. In der Baumschule wurde in dieser Zeit Obst zum Erntezweck produziert.

Nach dem Krieg wurde die Gärtnerei zunächst privat weiterbewirtschaftet. Später diente sie als kommunale "Parkgärtnerei" der Anzucht von Zierpflanzen, Gemüse und Sommerblumen. In den Gewächshäusern entstand mit großem persönlichem Einsatz ein viel besuchtes Tropenhaus. Ursprünglich waren die Gewächshäuser zum Gemüseanbau vorgesehen, um die Versorgung der Kurgäste in Bad Muskau zu sichern.

Der Zustand der Gärtnereibauten verschlechterte sich mit den Jahren jedoch zunehmend. Im Jahr 2008 war die Gebäudesubstanz so baufällig, dass der Besucherverkehr eingestellt werden musste.
Das 2009 durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eingerichtete "Investitionsprogramm Nationale UNESCO-Welterbestätten" ermöglichte die denkmalgerechte Wiederherstellung des Gärtnereiareals. In diesem Rahmen konnten die Gewächshäuser nach historischem Vorbild saniert und auch der Außenbereich mit einer auf den historischen Fundamenten errichteten Talutmauer für Spalierobst sowie Gemüse- und Staudenbeeten neugestaltet werden. Auch die Ananastreiberei wurde wieder aufgenommen und durch eine dazugehörige Dauerausstellung ergänzt. Dank der umfassenden Wiederherstellungsarbeiten ist die Schlossgärtnerei seit 2012 wieder zu einem attraktiven Anziehungspunkt für Besucher geworden.

Heutige Nutzung und Bewirtschaftung der Schlossgärtnerei
Die Freiflächen der Gärtnerei umfassen heute 3850 m², die zum Anbau von Obst, Gemüse und Kräutern dienen. In den Gewächshäusern wird unter anderem Ananas kultiviert. Im Rahmen der Parkpflege übernimmt ein Team aus mehreren Gärtnerinnen die Bewirtschaftung des gesamten Areals.

Die Schlossgärtnerei bietet eine Vielfalt an Gemüsekulturen, wie Mangold, Pastinake, verschiedene Sorten Kartoffeln, Möhren und Rote Beete. Dabei wird stets darauf geachtet, möglichst historische und alte Sorten zu verwenden. Zudem gibt es jedes Jahr ein Pflanzthema, aus dem ein ständig wechselndes Sortiment resultiert. Im Jahr 2023 gediehen, Bezug nehmend auf Pücklers Orientreise, zum Beispiel ägyptischer Spinat, Okra, Aubergine, Hirse, Kichererbsen, Saubohnen und Melonen in der Schlossgärtnerei.

Attraktive Staudenpflanzungen und Sträucher gliedern das Areal und dienen gleichzeitig als Insektenweiden für Schmetterlinge, Bienen und Hummeln sowie als Futterquelle für Vögel.

Vom zeitigen Frühjahr bis in den Herbst hinein besuchen viele interessierte Gäste die Schlossgärtnerei, die außerdem auch ganzjährig von Kindern der Muskauer Grundschule im Rahmen des Ganztagsangebotes "Kleine Schlossgärtner" zu pädagogischen Zwecken genutzt wird.

Muskauer Ananastreiberei
Schon Pücklers Großvater Hermann Graf von Callenberg (1744-1795) widmete sich nachweislich der Ananaszucht in Muskau. Ein verheerender Brand vernichtete jedoch die damalige Gebäudesubstanz sowie einen Großteil der Pflanzen.

Pückler selbst hegte bereits 1817 erste Überlegungen bezüglich einer umfangreichen Ananaszucht. Sein Vorhaben ließ sich jedoch nicht im geplanten Umfang realisieren und so wurde die Ananas vorerst lediglich zum Eigenbedarf und zum Verschenken angebaut.

Im Jahr 1833/34 ließ er ein neues Ananashaus errichten: ein Treibhaus mit Rauchkanalheizung, dessen südlicher Teil aus Glasfenstern bestand und dessen Nordseite gemauert und mit Dachsteinen gedeckt war.

Der Ananasanbau in Muskau dauerte bis in die 1920er Jahre an. Die Schlossgärtnerei zählte damit zu einem der letzten Orte in Deutschland, an denen diese Pflanzen in Gewächshäusern gezogen wurden.

Die Treibhäuser wurden bis 2012 nach historischen Quellen und Befunden restauriert, um die Muskauer Ananaskultur von Neuem aufleben zu lassen. In einem großen Hochbeet können die Besucher heute wieder verschiedene Reifestadien von Ananaspflanzen bewundern. Ergänzend dazu werden weitere Pflanzen in den benachbarten Erdgewächshäusern kultiviert.

Talutmauer mit Spalierobst
Die 1843 errichtete Frucht- und Talutmauer diente früher zur Zucht von Spalierobst. Sie befand sich auf dem Gelände der Gärtnerei, in der Nähe des Ananashauses. Ihr genauer Standort war jedoch viele Jahre unbekannt.

2009 wurden die alten Fundamente bei Suchschachtungen und Grabungen wiederentdeckt. Im Rahmen der Instandsetzung der Gärtnerei erfolgte der denkmalgerechte Wiederaufbau der Mauer und damit ein weiterer Schritt zur Vervollständigung des Ensembles. Die Mauer besteht aus rot-buntem Ziegelmauerwerk und orientiert sich damit an historischen Abbildungen sowie an den vorhandenen Mauern am benachbarten Schlossvorwerk.

An den Spalieren werden heute wieder Äpfel, Mandeln, Aprikosen, Pfirsiche, Birnen, Wein, Feigen und Kiwis, teils auch hinter Verglasung, kultiviert. Bei den Apfel- und Birnbäumen sowie den Weinstöcken handelt es sich zum Großteil um alte Sorten, die zum Teil schon in Verzeichnissen aus der Pücklerzeit zu finden sind.

Apfelsorten: Weißer Winterkalvill, Roter Winterkalvill, Lausitzer Nelkenapfel oder Schöner von Boskoop, Roter Herbstkalvill, Gravensteiner, Roter Astrachan, Danziger Kantapfel, Goldparmäne
Birnensorten: Köstliche von Charneu, Williams Christbirne, Gellerts Butterbirne
Wein: Vitis 'Souvenir', Roter Malvasier und noch viele neuere Sorten

Baumschule mit historischen Apfel- und Birnensorten
Die Baumschule im östlich der Neiße gelegenen, heute polnischen Parkteil beherbergte bereits zu Pücklers Zeiten eine Vielzahl an Obstgehölzen verschiedenster Sorten. Unter den nachfolgenden Besitzern erfuhr das Sortiment eine stetige Erweiterung, insbesondere unter Parkdirektor Eduard Petzold (1815–1891).

Nach einer langen Periode der Vernachlässigung in den Nachkriegsjahrzehnten erfolgten in den 1990er Jahren erste Auslichtungsmaßnahmen in dem stark verwilderten Gelände. Später konnte auch die historische Einfassung der Baumschule wieder hergestellt werden. Im Jahre 2015 wurden anlässlich des 200-jährigen Parkjubiläums 100 verschiedene Apfelsorten neu gepflanzt, darunter viele historisch nachweisbare sowie lokale Sorten. Die verschiedenen Obstsorten wurden vorab von Jan Bade in Kooperation mit dem Pomologen Verein e.V. Landesgruppe Sachsen ermittelt und in regionalen Baumschulen veredelt und vorgezogen.

Auswahl an Apfelsorten: Drüwken, Roter Astrachan, Pfirsichroter Sommerapfel, Böhmischer Roter Jungfernapfel, Königlicher Kurzstiel, Alantapfel, Schlesischer Lehmapfel, Bischofshut, Champagner Renette, Sohländer Streifling, Gelber Bellefleur, Gelber Richard, Werdersche Wachsrenette, Coulons Renette, Roter Fuchs, u.v.m.
Auswahl an Birnensorten: Grüne Hoyerswerder, Grumkower Butterbirne, Leipziger Rettich Birne, Meissner Eierbirne, Minister Lucius, Petersbirne, u.v.m.
Pflaumen: Meißner Honigpflaume, Gelbroter Spilling, Haferpflaume

Josefine Salomo
Volontärin, Stiftung "Fürst-Pückler-Park Bad Muskau"



Weiterführende Literatur
Hermann Fürst von Pückler-Muskau, Andeutungen über Landschaftsgärtnerei, verbunden mit der Beschreibung ihrer praktischen Anwendung in Muskau, Stuttgart: Hallberger'sche Verlagshandlung 1834

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