Der Küchengarten im Würzburger Hofgarten
Zur Entstehung des Küchengartens im Würzburger Hofgarten
Im Jahre 1804 wurde im Hofgarten der Residenz Würzburg, unterhalb der Orangerie, ein etwa 5.000 m² großer Küchengarten angelegt. Das Areal war kurz zuvor vom benachbarten Kloster St. Afra abgetrennt und mit einer Mauer umgeben worden. Bemerkenswert war dieser am Rande des Hofgartens gelegene Küchengarten insbesondere wegen seiner kunstvoll geschnittenen Obstbäume und Mauerspaliere. Der aufwändige Formobstschnitt ist heute kaum noch bekannt, war aber in den Gärten des ausgehenden 18. Jahrhunderts weit verbreitet. Die Früchte, die an diesen Baumkronen reiften, bestachen durch ihre hervorragende Qualität und wurden deshalb an den herrschaftlichen Höfen als Tafelobst gereicht.
Die Entwicklung des Küchengartens im 19. und 20. Jahrhundert
Die ursprüngliche Flächengliederung mit dem nahezu rechtwinkligen Wegeraster und den zehn großen Gemüsebeetflächen hatte sich mit geringen Veränderungen bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts erhalten. Nach 1945 verlor der Nutzpflanzenanbau im Würzburger Hofgarten zunehmend an Bedeutung. 1969 wurde der Gemüseanbau schließlich ganz aufgegeben. Nach der Fällung der Obstbäume und der anschließenden Einebnung der alten Gemüsebeete und Wege entstand eine einfache Rasenfläche mit umlaufendem Randweg und einer Lindenreihe entlang der Mauer zum benachbarten Kilianeum. Vor der Terrassenmauer der Orangerie und der westlichen Einfassungsmauer wurde ein Pflanzstreifen mit Stauden und Gehölzen angelegt, in den vereinzelt Bänke eingerückt waren.
Die Rekonstruktion des Küchengartens zwischen 1998 und 2001
1997 entschloss sich die Bayerische Schlösserverwaltung, den Küchengarten in Anlehnung an die ehemals vorhandene Wege- und Beetstruktur wieder neu anzulegen und zunächst mit hochstämmigen Apfel- und Birnbäumen zu bepflanzen. Die Wiedereinrichtung des Küchengartens wurde in drei Bauabschnitten von Oktober 1998 bis September 2001 realisiert.
Über 120 hochstämmige Apfel- und Birnbäume in historischen Sorten
Bei der Bepflanzung des Küchengartens konnten 123 hochstämmige Obstbäume und 58 Beerensträucher neu gepflanzt werden. Die Kronen der Obstbäume werden wieder, wie im 19. Jahrhundert, zu Kesselkronen (Äpfel) und Kegelkronen (Birnen) erzogen, so dass die Besucher des Würzburger Hofgartens in einigen Jahren im Küchengarten wieder die gärtnerische Handwerkskunst des Formobstschnitts bewundern können. Bei der Auswahl der Obstsorten orientiert sich die Bayerische Schlösserverwaltung an der berühmten Pomologie des Würzburger Hofgärtners Johann Prokop Mayer, die zwischen 1776 und 1801 in drei Bänden erschien. Dieses Fachbuch zur Obstbaumzucht und Obstsortenkunde trägt den Titel „Pomona Franconica“ und beschreibt ausschließlich Obstsorten, die im ausgehenden 18. Jahrhundert im Würzburger Hofgarten gepflanzt waren – davon allein über 150 Birnen- und 55 verschiedene Apfelsorten.
Das 130 m lange Weinspalier
Zwischen 2009 und 2011 wurden an der nach Süden orientierten ca. 240 cm hohen Terrassenmauer 131 Weinstöcke gepflanzt. Es handelt sich um insgesamt 29 verschiedene alte Tafeltraubensorten, die im heutigen Ertragsanbau keine Bedeutung mehr haben und deshalb langfristig vom Aussterben bedroht sind. Hier im Würzburger Küchengarten haben sie eine Nische gefunden. Die Weinreben werden zunächst in zwei Ebenen als Kordons gezogen. Jeder Weinstock besitzt zwei waagerechte Seitenarme auf einer der beiden Ebenen. Von den Seitenarmen wächst eine vorgegebene Anzahl von Jahrestrieben senkrecht nach oben. An den Jahrestrieben reifen die Trauben – maximal ein bis zwei Trauben pro Jahrestrieb. Diese Erziehungs- und Schnittmethode wurde im 19. Jahrhundert im französischen Ort Thomery, 100 Kilometer südöstlich von Paris gelegen, entwickelt und verbreitete sich von dort über ganz Europa.
Beeteinfassungen und Gemüsepflanzen
Die Beetstreifen, in denen die Obstbäume und die Weinstöcke stehen, sind alle mit Monatserdbeeren eingefasst. Gute Erfahrungen haben wir in den ersten 10 Jahren auch mit folgenden Einfassungspflanzen gemacht: Schnittlauch, Winterbohnenkraut und Lavendel. Die Beetflächen werden nicht bepflanzt. Auf diese Weise soll den Obstgehölzen eine optimale Nährstoff- und Wärmeversorgung gewährt werden.
Seit 2009 wird auch eines der zehn Gemüsefelder bepflanzt. Neben Artischocken ziehen die Gärtner auch Kohl, Zwiebeln und Mangold an. Wie bei den Obstgehölzen so gilt auch hier die Zielsetzung, den Besuchern in erster Linie alte Gemüsearten und -sorten zu zeigen. Das Gemüsefeld hat eine Größe von 240 m² und ist in Anlehnung an alte Darstellungen in 24 nach Nord-Süd ausgerichtete Beetstreifen mit einer Breite von jeweils 1,5 m und einer Länge von ca. 5 m unterteilt.
Das geerntete Gemüse wird zu einem Großteil kostenlos an die Armenküche der Würzburger Erlöserschwestern abgegeben.
Zur Bewirtschaftung des Küchengartens
Die Bewirtschaftung des Gemüsebeets erfolgt nach biologischen Grundsätzen. Es werden keine Herbizide und keine Pestizide eingesetzt. Bei der Pflege der Formobstbäume kommen Pestizide nur dann zur Anwendung, wenn durch den Schädlingsbefall nachhaltige Schäden oder der Verlust einzelner Bäume zu befürchten sind. Das Weinspalier wird in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim regelmäßig mit Fungiziden behandelt.
Für die Pflege des gesamten Küchengartens steht der Schloss- und Gartenverwaltung Würzburg leider kein zusätzliches Personal zur Verfügung, was bedeutet, dass eine Ausweitung des Obst- und Gemüseanbaus derzeit nicht möglich ist. Momentan werden ca. 900 Arbeitsstunden pro Jahr für die Pflege des Küchengartens benötigt.
Obstorangerie – Zwergostbäume in Töpfen
Seit 2007/08 baut die Schloss- und Gartenverwaltung Würzburg im Hofgarten eine kleine Obstorangerie auf. In Anlehnung an die Orangerien mit ihren Zitrusbäumen in Kübeln besteht eine Obstorangerie aus zwergförmig gezogenen Obstbäumen die in Tontöpfen kultiviert werden – eine Kulturform, die im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert sehr verbreitet war – nicht nur in herrschaftlichen Gärten. Auf kleinstem Raum konnte man so eine Vielzahl unterschiedlichster Obstsorten ziehen.
In der Würzburger Obstorangerie sollen langfristig alle noch erhältlichen Obstsorten, die der Hofgärtner Mayer in seiner berühmt gewordenen „Pomona Franconica“ beschreibt zusammengetragen und kultiviert werden. Derzeit besteht die Sammlung aus knapp 60 Zwergobstbäumchen. Sobald sie ein ansehnliches Aussehen erreicht haben, sollen sie auch den Parkbesuchern des Hofgartens präsentiert werden.
Eine Auswahl der gepflanzten Apfelsorten:
Roter Stettiner; Prinzenapfel; Große Kasseler Renette; Roter Winterkalvill; Weiße Kanadarenette; Edelborsdorfer; Roter Stettiner; Karmeliter Renette; Grüne Sommermagdalene; Certau d'automne
Eine Auswahl der gepflanzten Birnensorten:
Alexander Lucas, Augustbirne, Gute Luise. Williams Christbirne, Boscs Flaschenbirne, Schweizer Wasserbirne, Pastorenbirne, Gute Graue, Gellerts Butterbirne, Petersbirne, Scheibenbirne
Eine Auswahl der gepflanzten Tafeltraubensorten:
Blauer Stettiner, Calebstraube, Grauer Portugieser, Weiße Alicante, Calabreser, Jerusalemtraube, Petersiliengutedel, Frühblauer Ungar, Große Blaue Urbanitraube, Blauer Kölner, Madeleine Royal, Putzscheere, Weißer Hudler, Blaue Eicheltraube, Mehlweiss
Jost Albert
Weiterführende Publikationen zur Nutzpflanzenkultur im Würzburger Hofgarten:
ALBERT, Jost (2006): Hofgarten Würzburg. Kurzführer mit Gartenplan, illustriert. Herausgegeben von der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, München. Ohne ISBN.
ALBERT, Jost (2006): Formobst. In: FLL-DGGL Fachbericht „Pflege historischer Gärten Teil 1: Pflanzen und Vegetationsflächen“, S. 38-47. Herausgegeben von der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL) und der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e. V. (DGGL), Bonn und Berlin. ISBN 3-934484-95-6.
FRIEDRICH, Verena; KUMMER Stefan; NEUBERT, Michaela et al. (2007): Pomona Franconica - Früchte für den Fürstbischof. Ausstellungskatalog. Herausgegeben von der Universitätsbibliothek Würzburg und dem Martin-von-Wagner-Museum, Würzburg. ISBN 978-3-9811408-1-1.