Nutzpflanzen in historischen Gärten

Der Küchengarten im Veitshöchheimer Hofgarten


Zur Geschichte des Veitshöchheimer Hofgartens
Der 12 Hektar große Veitshöchheimer Hofgarten diente den Würzburger Fürstbischöfen bis zur Säkularisation als Sommerresidenz. Die Gesamtanlage wurde im 17. Jahrhundert zunächst als Jagdsitz genutzt. Erst im 18. Jahrhundert ließen die Fürstbischöfe das Lustschloss erbauen und den seitlich gelegenen Fasanengarten zu einem höfischen Lustgarten umwandeln. Die Blütezeit des Gartens fällt in die Regierungszeit des Fürstbischofs Adam Friedrich von Seinsheim (reg. 1755-1779), einem ausgesprochenen Gartenliebhaber. Der Garten war vom frühen 18. Jahrhundert bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts durch seine starke Verflechtung von ziergärtnerischen Elementen und umfangreichen Nutzpflanzenkulturen geprägt. So waren die meisten Binnenflächen der Heckenquartiere mit Obstbäumen bepflanzt und in der sogenannten Seezone wurden auf sämtlichen Flächen Gemüse und Kräuter angebaut. Hier lag auch der 10.000 m² große und durch eine kastenförmig geschnittene Fichtenallee in zwei Hälften geteilte Küchengarten. Die rahmenden Rabatten um die Gemüsefelder im nördlichen Teil des Küchengartens und die in Form geschnittenen Obstbäume an den Obstspalierzäunen des südlichen Teils zeigen deutlich, dass das Augenmerk nicht nur auf die Produktion von Nahrungsmitteln gerichtet war, sondern auch auf deren künstlerisch-repräsentative Gestaltung.

Der Küchengarten vom 17. bis ins 20. Jahrhundert
Die nördliche Hälfte des Küchengartens mit dem ovalen Küchensee war wohl schon gegen Ende des 17. Jahrhunderts als Nutzgartenfläche angelegt worden. Bereits der erste bekannte Gartenplan von 1702/03 zeigt den durch ein zweifaches Wegekreuz gegliederten Gartenteil mit den sechs Gemüsefeldern und zwei Schöpfbrunnenbecken in den Wegekreuzungen. Dieser Teil des Küchengartens hat bis 1960 nahezu unverändert existiert. Der Küchensee war jedoch schon um 1810 verfüllt worden. An seiner Stelle pflanzte man zahlreiche Sträucher und die heute zu großen Bäumen herangewachsenen Platanen. Zwischen 1900 und 1910 verschwanden die beiden Schöpfbrunnenbecken. Als man Ende der 1950er Jahre die Nutzpflanzenkultur im Veitshöchheimer Hofgarten aufgab, veränderte die nördliche Hälfte des Küchengartens vollkommen ihr Gesicht. 1960 entstanden hier drei separate, durch Heckenwände voneinander getrennte Ziergartenbereiche.
Die verbindende Fichtenallee mit den ursprünglich kastenförmig geschnittenen Kronen wurde wohl schon bald nach 1800 nicht mehr gepflegt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ersetzte man mittlerweile durchgewachsenen Fichten durch Obstbäume, die aber schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts wieder entfernt wurden. Heute wird der Weg zwischen dem nördlichen und dem südlichen Teil des Küchengartens nur noch durch eine Hecke gesäumt.
Die südliche Hälfte des Küchengartens entstand erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Unter Fürstbischof Seinsheim entfernte man die älteren, rasterförmig aufgepflanzten Obstbäume aus den beiden quadratischen Quartieren des bestehenden Baumgartens. Dann wurde jedes der beiden Quartiere durch Y-förmige Wege untergliedert. Die dadurch entstandenen Flächen wurden zu Gemüsefeldern umgebrochen und entlang der Wege mit brusthohen Obstspalierzäunen eingefasst. Die Grundstruktur des Wegenetzes und der Beetaufteilung konnte bis ins erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts erhalten werden. Noch vor dem Ersten Weltkrieg ebnete man die Y-Wege ein bevor sie dann 1952 nach den alten Gartenplänen wiederhergestellt wurden.

Die Teilrekonstruktion der nördlichen Küchengartenpartie 1997 bis 1998
Da die Hecken im mittleren Teil des nördlichen Küchengartens bereits seit Ende der 1980er Jahre in einem sehr unbefriedigenden Zustand waren, entschied sich die Bayerische Schlösserverwaltung 1996 für die Beseitigung der Gestaltung aus den 1960er Jahren und die Teilwiederherstellung des nördlichen Küchengartenareals. Das ausschlaggebende Argument für die Wiederbelebung des Nutzpflanzenanbaus war die Erkenntnis, dass den Besuchern nur auf diese Wiese ein annähernd authentisches Bild des ursprünglichen Gartenkunstwerks zu vermitteln sei und ehemalige Funktionszusammenhänge sichtbar gemacht werden können.
In den Jahren 1997/98 wurde in einer ersten Ausbaustufe der mittlere Teil der nördlichen Küchengartenhälfte in seinen Grundstrukturen wiederhergestellt. Seit 1998 werden die ersten vier Felder des Küchengartens wieder mit Gemüse, Salat sowie Gewürz- und Heilkräutern bepflanzt. Langfristig soll auch der Teilbereich, auf dem sich derzeit noch der Lindensaal befindet, wiederhergestellt werden. Die Wiederherstellung des Küchengartens ist ein sehr langfristig angelegtes Projekt. Noch ist nicht absehbar wann die geplante Fortführung der Teilrekonstruktion in Angriff genommen werden kann, denn der Nutzpflanzenanbau ist eine sehr personalintensive gärtnerische Tätigkeit.
2003 wurde im alten Gärtnereigelände ein altes Gewächshaus aus dem Jahr 1926, von dem nur noch die Grundmauern standen, wieder aufgebaut. Dort werden im Frühjahr die Gemüsepflanzen für den Küchengarten angezogen.

Zur Bewirtschaftung des Küchengartens
Der Gemüseanbau, der 1998 wieder aufgenommen wurde, berücksichtigt in erster Linie historische Vorgaben, ist aber auch ökologisch ausgerichtet. So wird der Boden ausschließlich mechanisch per Hand bearbeitet, um eine gute und stabile Bodenstruktur zu erhalten. Außerdem wird im Freilandbereich auf den Einsatz von Herbiziden und Pestiziden verzichtet. Der Garten wird nach den Prinzipien der Mischkultur und des Fruchtfolgewechsels (Stark-/Mittel-/Schwachzehrer bzw. Frucht-/Wurzel-/Blattgemüse/blühende Pflanzen/Küchenkräuter) bewirtschaftet. Zur Pflege des Küchengartens steht der Schloss- und Gartenverwaltung Würzburg nur das Stammpersonal zur Verfügung, was bedeutet, dass die angestrebte Erweiterung des Küchengartens derzeit nicht möglich ist. Schon die Pflege der heutigen Gemüsebeetflächen (ca. 1.200 m²) benötigt ca. 1.300 Arbeitsstunden pro Jahr. Seit 2009 testet die zuständige Gartenmeisterin verschiedene Bepflanzungsmuster für die Rahmenrabatten der Gemüsebeete, die einen gewissen Ziereffekt haben sollen, im Wesentlichen aber aus Gemüse und Kräutern bestehen.

Die Obstbäume im Hofgarten
Im der Laubengangzone des Hofgartens werden seit 1997 wieder Obstbäume mit sogenannten „Kesselkronen“ gezogen. Kesselkronen sind künstlich formierte Kronen denen der Leittrieb entfernt wurde und deren verbleibender Kranz von Ästen die Form eines Bechers oder Trichters beschreiben. Diese Schnittform für Obstbäume war im 18. Jahrhundert sehr beliebt und weit verbreitet. An den Bäumen reiften weniger Früchte als an frei wachsenden Exemplaren in der Feldflur. Doch waren die Früchte oft größer, schöner gefärbt und oftmals auch schmackhafter, da an den Formobstbäumen bessere Wachstums- und Reifebedingungen vorherrschten. Die besten Früchte wurden an der herrschaftlichen Tafel als sogenanntes „Tafelobst“ zum Rohverzehr gereicht. In der Seezone und auf der Wiese nördlich des Schlosses werden die Kronen der Obstbäume in der naturnahen Kegelform geschnitten. An der östlichen Umfassungsmauer des Hofgartens befindet sich ein 220 m langes Birnenspalier. Die hier gepflanzten Birnbäume werden in verschiedenen Formen des 18. und 19. Jahrhunderts gezogen. Die attraktiven Obstspalierzäune, mit denen die Gemüsefelder im südlichen Teil des Küchengartens eingefasst waren, gibt es heute nicht mehr.

Eine Auswahl der heute im Küchengarten gepflanzten Gemüsearten und –sorten (Datum der Einführung):
Artischocke ‚Green Globe’ (1828); Auberginen; Zuckererbse ‚Früher Heinrich’ (1888); Karotte ‚Pariser Markt’ (1874); Rotkohl ‚Dauerrot’ (1900); Mangold ‚Lukullus’ (1904); Porree ‚Carentan’ (1873); Radieschen ‚Eiszapfen’ (1889); Rote Rübe ‚Ägyptische Plattrunde’ (1868); Endiviensalat ‚Grüner Escariol’ (1844); Feldsalat ‚Dunkelgrüner Vollherziger’ (1822); Tomate ‚Goldene Königin’ (1884); Wirsing ‚Vertus’ (1859); Sommerzwiebel ‚Gelbe Birnförmige’ (1857).

Eine Auswahl an Küchenkräutern:
Basilikum, Bohnenkraut, Borretsch, Dill, Estragon, Echte Kamille, Koriander, Lavendel, Liebstöckel, Mohn, Oregano, Petersilie, Pimpinelle, Winterportulak, Rosmarin, Salbei, Sauerampfer, Schnittknoblauch, Süßdolde, Thymian, Weinraute, Ysop, Zitronenmelisse.

Eine Auswahl der heute im Küchengarten gepflanzten Obstarten und -sorten:
Apfel: Goldparmäne, Gewürzluiken, Champagnerrenette, Zitronenapfel, Gelber Bellefleur, Gelber Edelapfel, Roter Stettiner, Geflammter Kardinal, Danziger Kantapfel, Weißes Seidenhemdchen; Birne: Williams Christ, Schweizer Wasserbirne, Großer Katzenkopf, Clapps Liebling, Winterdechantsbirne, Gute Graue, PPetersbirne, Sommerbergamotte, Blutbirne, Pastorenbirne, Pflaume: Dattelpflaume, Große grüne Reneclode, Hauszwetsche, Italienische Zwetsche, Katalonischer Spilling, Mirabelle von Nancy.

Jost Albert



Weiterführende Publikationen zur Nutzpflanzenkultur im Veitshöchheimer Hofgarten:

ALBERT, Jost; HELMBERGER, Werner (2009): Schloss und Hofgarten Veitshöchheim. Amtlicher Führer. Herausgegeben von der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, München. 208 S., illustriert. ISBN: 978-3-932982-89-7.

ALBERT, Jost (2009): Zur Wiederherstellung der nutzgärtnerischen Bestandteile des Hofgartens Veitshöchheim – Gemüse und Formobst. In: Historische Nutzgärten Bohnapfel, Hauswurz, Ewiger Kohl – Neue Rezepte für alte Gärten, S. 37-42, illustriert. Herausgegeben vom Bund Heimat und Umwelt in Deutschland, Bonn. ISBN: 978-3-925374-86-9.

ALBERT, Jost; EHBERGER, Gabriele (2006): Es kommen immer Leit aus Würzburg und Frembde hierher“ – Zur Geschichte des Rokokogartens Veitshöchheim. Begleitheft zur Ausstellung. Herausgegeben von der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, München. 84 S., illustriert. ISBN: 978-3-932982-72-9.

ALBERT, Jost (2005): Hofgarten Veitshöchheim. Kurzführer mit Gartenplan, illustriert. Herausgegeben von der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, München. Ohne ISBN.

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