Der Prinz-Georg-Garten in Darmstadt
Zur Geschichte des Prinz-Georg-Garten in Darmstadt
Landgraf Ernst Ludwig erwarb 1698 einen bereits seit 1624 von Kanzler Wolff von Todenwarth angelegten Lustgarten und ließ auf diesem Gelände einen kleinen Landsitz, einen französischen Garten, errichten. Als Sommerhaus entstand 1710 der später "Prinz-Georg-Palais" genannte Barockbau, flankiert von nach Süden versetzter Remise und den Stallungen. Vom Palais im Norden erstreckte sich die landgräfliche Anlage fächerförmig nach Süden bis an die Grenze des von Prettlack’schen Gartens. 1748 konnte Landgraf Ludwig VIII. die Verbindung seines Lustgartens mit diesem Gartengelände des Generalleutnants Johann Rudolf von Prettlack herstellen. Vor 1771 hatte von Prettlack an der Ostseite seines zur damaligen Zeit in Darmstadt bedeutendsten Privatgartens ein zierliches Lusthaus errichten lassen, das noch heute erhaltene "Prettlack’sche Gartenhaus".
Nach Abbruch der die Gärten trennenden Mauer erfolgte zunächst unter Landgraf Ludwig VIII., ab 1764 unter dessen Sohn Prinz Georg Wilhelm die Ausgestaltung des intimen Sommersitzes, der im Westen und Süden vom Garten des Residenzschlosses, dem Herrngarten, begrenzt wurde. In dem "Plan der Hochfuerstlichen Residenz Darmstadt" aufgenommen im Jahr 1759 durch den Artillerie Sergeant Caspar Ludwig Bettenhäuser trägt der Garten die Bezeichnung Hochfürstlicher Lust= und Küchengarten. In ihm sind bereits die Kompartimente mit Zwergbäumchen eingefasst.
Der Prinz-Georg-Garten vom 18. bis ins 20. Jahrhundert
In den 70-ziger Jahren des 18. Jahrhunderts ist die Bereicherung des als Lustgarten angelegten Prinz-Georg-Gartens um Nutzgartenflächen wahrscheinlich. Der Plan von 1779 von Johann Jacob Hill zeigt in den Kompartimenten eine auffällige Streifensignatur, die der damals üblichen Darstellung von Beetreihen entspricht. Der Garten hatte zu der Zeit einen Zustand erreicht, der durch eine Verschmelzung eines Ziergartens mit einem Nutzgarten gekennzeichnet ist. Die Beete waren mit kleinkronigen Bäumchen oder Sträuchern in den umlaufenden Rabatten versehen, es kann sich dabei um Blütengehölze wie sie auch in den französischen regelmäßigen Gärten verwendet wurden, dort als arbrisseaux bezeichnet, um Rosenbüsche als auch um Zwergobst gehandelt haben. Diverse Ansichten des Darmstädter Theatermalers Ernst August Schnittspahn (1795 – 1889) aus der Zeit zwischen 1840 und 1876 bekräftigen diese Gestaltung. So zeigt eine Ansicht von Rabatten gesäumte Kompartimente, die im Inneren eine Streifenbepflanzung mit zwiebelartigen Gewächsen, Kohl- und Salatköpfen sowie Kräutern aufweisen. Neben diesen flächig erscheinenden Nutzpflanzungen sind die Rabatten mit blühenden Stauden, Ziersträuchern und kleinen Bäumchen vertikal betont. In der "Ansicht eines Theils im Grosherzoglichen Bosquet zu Darmstadt" von 1846 von E.A. Schnittspahn sind u.a. Sonnenblumen und Stockrosen gut erkennbar. Nach einer vorsichtigen Interpretation weiterer Ansichten vom Garten und anderen Gärten in und um Darmstadt, ebenfalls von E.A. Schnittspahn, muss die ab 1800 stark in Mode gekommene Dahlie in die Rabatten gepflanzt worden sein. Auffallend für den Prinz Georg Garten sind die zahlreichen Kübel, die sowohl im Palaisgarten verstreut als auch im Orangeriegarten dort rasterartig vor dem Teehaus, Aufstellung fanden. Zu den zu der Zeit typischen meist farbig gefassten Orangenkästen aus Holz, gab es auch eine reich verzierte Form eines Terrakottakübels. Dieser Tonkübel trug auf der Schauseite eine Maske mit Bart, volutenartigen Kopfputz und war seitlich mit floralen Girlanden geschmückt. Zwei Eisenringe umspannten den unteren und oberen Rand, wobei am oberen Ring zwei Henkel, die dem Transport dienten, angebracht waren. Dieser Kübel ist sowohl auf Gouachen die den Garten zeigen als auch an den Wandmalereien in und am Prettlack´schen Gartenhaus als Schmuckmotiv bildlich dargestellt. Diese Kübel waren ausschließlich den Zitrusgewächsen vorbehalten, was wiederum die außerordentliche Wertschätzung dieser Gewächse unterstreicht.
Während Ende des 18. Jahrhunderts die umgebenden Gärten verlandschaftlicht wurden, blieb der Prinz-Georg-Garten davon unberührt und war bis ins 19. Jahrhundert ein Kleinod und Rückzugsort der landgräflichen Familie. Das bis 1847 im Prinz Georg Garten stehende Orangeriegewächshaus wurde in den Bessunger Orangeriegarten versetzt. Ein weiterer schmerzlicher Eingriff der Zeit bedeutete der Verlust des westlichen Gartenwinkels an den Herrengarten. Trotzdem und nach den weiteren Beschreibungen und den illustrierenden Fotos bestand der Prinz Georg Garten nachweislich bis um 1910 als ein gemischter Nutz- und Zierpflanzengarten.
Anfang des 20. Jahrhunderts gelangte der Garten ins öffentliche Interesse, als Großherzog Ernst Ludwig im Palais ein Porzellanmuseum einrichten ließ und diese Sammlung 1908 der Öffentlichkeit zugänglich machte.
Ein weiterer sehr schlimmer Eingriff mit Geländeverlust war das 1934 erbaute damalige Institut für Fernmeldetechnik der Technischen Hochschule Darmstadt bevor der Garten dann erhebliche Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg erlitt. Ebenso sind verschiedene, die Anlage im 18. Jahrhundert prägende Elemente verschwunden, so dass der Prinz-Georg-Garten Teile seines ursprünglichen Reizes einbüßte.
Die damals entstandene streng geometrische Gliederung bestimmt jedoch bis heute den Garten. Südlich von Remise und Stallgebäuden erstreckt sich quer zur Hauptachse das Heckentheater mit westlich gelegenem Zuschauerraum, dessen Abschluss das Teehaus bildet, weiter nach Süden durchzieht die Hauptachse ein quadratisches Parterre, vierteilig gruppiert um einen Springbrunnen und endet im Süden an der Nische als Point de vue. Kurz vor ihrem Ende stößt sie rechtwinklig auf die von Osten nach Westen verlaufende Achse des ehemaligen von Prettlack´schen Gartens.
Die Nachbildung des Prinz-Georg-Gartens von 1998 bis 2005
Auf der Grundlage eines 1995 veröffentlichten Parkpflegewerkes wird das denkmalgeschützte Ensemble gepflegt und entwickelt, um den besonderen Charakter und die Eigenart des historischen Gartens wieder deutlich hervorzuheben. Besondere Bedeutung erhält dabei die historische Pflanzenverwendung bei der Bepflanzung der Kompartimente mit ihrer charakteristischen Kombination vielfältiger Zier- und Nutzpflanzenarten, der Kräuter und bei den Kübelpflanzen.
Ab 1998 konnte nach umfangreicher Grundlagenforschung der ursprüngliche Zustand eines Lust- und Küchengartens wiederhergestellt werden. Sommerblumen, verschiedene Gemüsearten wie verschiedene Kohlarten und -sorten, Salat, Mangold, Gewürzkräuter sowie Zwergobstbäumchen sind im Wechsel in den mit Buchshecken eingefassten Parterre-Beeten gepflanzt. Da es sich bei dem Boden im Prinz-Georg Garten um einen sehr sandigen Boden handelt, wird immer wieder Kompost aufgebracht und durch eine Gründüngung u.a. mit Spinat für eine Humusanreicherung gesorgt.
Das Kübelpflanzensortiment wurde durch Zukauf von Zitruspflanzen erweitert.
Gartenbereiche vornehmlich im Prettlack’schen Gartenteil wurden auf das alte Niveau abgesenkt, nachdem man noch eine Stufe an der Freitreppe zu dem Gartenhaus entdeckte. Ähnlich verhielt es sich an dem kleinen Ausgang zum Herrengarten. Auch hier tauchte noch eine Stufe auf. Diese Funde bestätigten eine Grabung von 1989 an den Sonnenuhren, bei der festgestellt wurde, dass der Garten mittlerweile über 20 cm zu hoch liegt. Der umlaufende Plattenbelag aus Sandstein wie er von E.A. Schnittspahn 1846 an der Sonnenuhr dargestellt wurde, existiert im Untergrund bis heute. Mit der Entdeckung einer historischen reich profilierten hölzernen Gartenbank im Schloss Wolfsgarten als ein authentisches Original die auch im Prinz-Georg-Garten nachweislich war, konnten 1999 die ersten Bänke nachgebaut werden.
An den Einfriedungsmauern um das Palais wurde 2004 ein Holzspalier angebaut und mit 44 Rosenstöcken in historischen Sorten bepflanzt, eingefasst mit Lavendel. Im gleichen Jahr ist die Nische, die bereits im Gartenplan von Hill aus dem Jahre 1779 dargestellt und von E.A. Schnittspahn 1844 in einer Ansicht überliefert ist, wiedererrichtet. Sie bildet das Point de vue der Palaisgartenachse.
Langfristiges Ziel ist es, den Garten als ein für Hessen einzigartiges Dokument eines formalen Lust- und Nutzgartens aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts für kommende Generationen zu erhalten.
Die Überarbeitung des Pflanzenkonzepts (2012)
Leider konnten bis heute keine verwertbaren Inventarlisten zur Bepflanzung des Prinz Georg Gartens aufgefunden werden. Daher ist die Erarbeitung einer Pflanzenzusammenstellung mit Bepflanzungsplan die sich auf Analogbeispiele aus Darmstädter Gärten gründet und einer Abbildungsinterpretation der Schnittspahn-Ansichten in Auftrag gegeben worden. Diese Ausarbeitung einschließlich einer Pflegeempfehlung wird das Parkpflegewerk ergänzen und eine wesentliche Hilfe für die vor Ort tätigen Gärtner sein.
Christine Fischer
Manfred Handke
Weiterführende Publikationen:
Prinz-Georg-Garten Darmstadt – Parkpflegewerk. Edition der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen, Monographien Band 5, Bad Homburg vor der Höhe, 1995.
Prinz-Georg-Garten Darmstadt. Edition der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen, Broschüre 21, 1. Auflage, Regensburg, 2004.
Georg Haupt, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Darmstadt (Bildband), Darmstadt 1954
S.K.H. Moritz Landgraf von Hessen (Hrsg.), Darmstädter Bauten vor 1850, Text Volker Illgen, Darmstadt 1986
Die Darstellung der Abbildungen von den Gouachen von Ernst August Schnittspahn erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Hessischen Hausstiftung. Alle Rechte (Copyright) bei der Hessischen Hausstiftung. Die Abbildungen 1 bis 3 sind dem Parkpflegewerk des Prinz Georg Garten entnommen.
Abbildungen:
Abb. 01) "Plan der Hochfürstlichen Residenz Darmstadt nebst denen Hochfürstlichen Lust- und Küchengarten" (Ausschnitt), Caspar Ludwig Bettenhäuser 1759.
Abb. 02) Plan des Prinz Georg Gartens, Johann Jacob Hill 1779.
Abb. 03) Plan von Darmstadt, Georg Nau 1866.
Abb. 04) Parkplan vom Prinz Georg Garten, Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten 2010.
Abb. 05) "Ansicht eines Theils im Grosherzoglichen Bosquet zu Darmstadt" (Sonnenuhr im Hauptparterre), Gouache von Ernst August Schnittspahn 1846.
Abb. 06) "Aufgenommen aus dem Grossherzoglichen Bosquet von E.A. Schnittspahn 1841" (Prettlack´sches Gartenhaus), Gouache von Ernst August Schnittspahn 1841.
Abb. 07) Wandmalerei am Prettlack´schen Gartenhaus (Detail), Foto: M. Handke 2008.
Abb. 08) Wandmalerei am Prettlack´schen Gartenhaus – Citruskübel, Foto: M. Handke 2008.
Abb. 09) Salatsorten im Wechsel mit Schnittlauch,
Foto: B. Modrow 2003.
Abb. 10) Gemüsebeete, Foto: I. Formann 2009.
Abb. 11) Sonnenuhr im Hauptparterre, Foto: M. Handke 2008.
Abb. 12) Rabatten mit Zwergobst, Gemüsebeete und Sonnenuhr im Hintergrund, Foto: M. Handke 2012.
Abb. 13) Fenchel, Salate und Schnittlauch im Wechsel,
Foto: M. Handke 2012.
Abb. 14) Reife Auberginen, Foto: M. Handke 2012.
Abb. 15) Reife Paprika, Foto: M. Handke 2012.
Abb. 16) Die Nische, rekonstruiert 2004, Foto: M. Handke 2008.
Abb. 17) Winter im Prinz Georg Garten, Foto: I. Formann 2010.