Die Nutzgärten von Schloss Weikersheim
Nutzgartenkultur der Spätrenaissance
Die Nutzgartenkultur war spätestens seit dem 16. Jahrhundert fester Bestandteil im Weikersheimer Schlossgarten. Im Rittersaal des Schlosses zeigt das um 1600 entstandene Deckengemälde von Balthasar Katzenberger einen aus drei Teilen bestehenden, mit hölzerner Zauneinfriedung versehenen Garten südlich des Schlosses. Die Dreiteilung ergibt sich durch die Unterteilung in Lustgarten, Baumgarten und Wurzgarten. Der primär für Nutzpflanzen vorgesehene Wurzgarten war durch die Hinzufügung von Zierpflanzen sowie eines 1591 fertiggestellten Schalenbrunnens, gestalterisch aufgewertet.
Kräuter und Gemüse
In der Gärtnerordnung des Grafen Wolfgang von Hohenlohe-Weikersheim von 1588 finden sich obligatorisch zu pflanzende Kräuter und Gemüsepflanzen. Dazu gehören Mangold, Zwiebeln, Rettich, Karotten, Bohnen, Erbsen und verschiedene Salate, welche außer dem Endiviensalat nicht näher bestimmt sind. Erwähnt sind auch Sürgen und Bersich. Nicht eindeutig ist, was sich hinter diesen Begriffen verbirgt.
Auch nach der barocken Umgestaltung des Gartens unter Graf Carl Ludwig von Hohenlohe-Weikersheim blieb die Nutzgartenkultur fester Bestandteil im Garten. In der Einstellungsurkunde von Caspar Pich als Hofgärtner ist 1703 zu lesen, dass er „den Küchengarten dergestalt anrichten und emporführen [soll], dass er besser als bishero aussehen und bestellt sein möge“. Neben allerhand Kräutern war es für Pich verpflichtend, Melisse, Salbei, Rosmarin und Majoran anzubauen. Des Weiteren ist nachzuweisen, dass 1708 neben Artischocken auch Spargel und Sauerkraut angebaut werden sollte.
Oberer und Unterer Garten
Die Dreigliedrigkeit des Schlossgartens aus dem 16. Jahrhundert ist bis heute erhalten, wenn auch, durch einige Umgestaltungsmaßnahmen, nicht mehr deckungsgleich mit dem Zustand der Renaissance. Seit den Umgestaltungsmaßnahmen durch Carl Ludwig teilt sich der Schlossgarten in Lustgarten, den Unteren Garten im Westen und den Oberen Garten im Osten auf.
Im Unteren Garten, der auch unter dem Namen Kirschgarten bekannt ist, besteht die Nutzung als Obstgarten bis heute. Vor 1710 war der Untere Garten vom Lustgarten durch Obstbaumalleen abgegrenzt. Diese wurden nach 1710 durch Kastanienalleen ersetzt. Um den Bedarf an Obst- und Kastanienbäumen zu decken, gehörte es zu den Aufgaben von Hofgärtner Pich, auf eigene Kosten eine Baumschule anzulegen. Der heutige Zustand dieses Gartenteils ist geprägt durch die Neupflanzung von Obstbäumen in den 1990er Jahren mit alten, regionale Sorten.
Der Obere Garten – im Osten des Schlossgartens – erfüllt heute die Funktion eines öffentlichen Stadtparks. Die Kartierung von 1829 stellt in der westlichen Hälfte noch Nutzgartenflächen dar. Im Kataster von 1833 hat sich der Nutzflächenteil auf den oberen westlichen Teil halbiert. Im 19. Jahrhundert wurde der Garten als Gemüse- und Obstgarten in kleingärtnerischer Form weiterbetrieben.
Seit 1717 umfasst eine Mauer die drei Gartenteile im Süden des Schlosses. Zwei Pavillons betonen die südlichen Eckpunkte der Mauer.
Herrschaftlicher Gemüsegarten
Außerhalb dieser Mauer befand sich im Südosten der Herrschaftliche Gemüsegarten; auch genannt äußerer Küchengarten. 1805 gab es Pläne zur Umwandlung dieses Gartens in Bauland. Auf Karten von 1829, 1833 und 1953 ist allerdings noch keine Bebauung zu erkennen. Eine Überbauung des Gartens erfolgte erst danach bis spätestens 1963. Daher ist anzunehmen, dass die Planungen von 1805 nicht umgesetzt wurden. Außerdem verkleinerte sich 1827 der Gemüsegarten im Zuge einer Grundabtretung im nördlichen Bereich.
Von gärtnerischem Interesse sind Rechnungen aus den Jahren 1704 und 1707, welche erkennen lassen, dass im Herrschaftlichen Gemüsegarten Pflanzen in Frühbeeten („Gewächß-Cästen“) kultiviert wurden.
Kultivierung exotischer Pflanzen
Die besondere Wertschätzung seltener Pflanzen in Weikersheim zeigt sich im Rittersaal des Schlosses, in dessen Lambris-Gemälden von Christian Thalwitzer, auf denen exotische Pflanzen abgebildet sind. Seit dem 17. Jh. wurden in Weikersheim exotische Pflanzen in einem Glashaus gezogen. Die 1723 nach Plänen von Johann Christian Lüttich fertiggestellte barocke Orangerie untermauert die wichtige Stellung exotischer Pflanzen in Weikersheim. Nach dem Tod von Ludwig Friedrich Carl 1805 wurde jedoch der Betrieb in der Orangerie eingestellt. Bedingt durch fehlende Nutzung verfiel das Gebäude und wurde erst seit 1978 wieder in Stand gesetzt.
Das Weikersheimer Orangerieinventar von 1757 gibt Aufschluss über exotische Pflanzen, welche sich nach dem Tod Carl Ludwigs in Weikersheim befanden. Neben Orangen-, Feigen- und Olivenbäumen finden sich auch Yucca gloriosa und Aloe oder „indianische Gewächser“[sic] im Inventar. Nicht zu vergessen ist auch die dort erwähnte Kaffee- und Ananaskultivierung. Ein besonderer Bezug Weikersheims zur Ananas besteht nicht nur in dieser historisch belegten Anzucht der Ananaspflanzen, sondern auch durch den Hofgärtner Matthias Lebl, der in Weikersheim für die Neugestaltung der Parterres zuständig war und 1839 die „Die Ananaszucht praktische Anleitung für Gärtner und Liebhaber“ verfasste. Seit der Errichtung eines neuen Gewächshauses außerhalb der Schlossgartenmauer im Jahr 2018, das den Schlossgärtnerinnen vor allem zur Pflanzenzucht sowie als Arbeitsraum dient, lebt auch die Tradition der Ananaszucht in Weikersheim wieder auf. Das neue Gewächshaus ist mit zwei unterschiedlichen Wärmezonen versehen, um historische Nutz- und Zierpflanzen sowie exotische Pflanzen gleichzeitig ziehen zu können. Aus Bad Muskau importierte Ananaskindl und die dortige Schulung der Weikersheimer Gärtnerinnen waren der neue Ausgangspunkt für die Renaissance der Ananaszucht in Weikersheim, die bereits buchstäblich Früchte trägt.
Wein- und Obstanbau
Ein charakteristisches Merkmal des Weikersheimer Schlossgartens sind die Schlossterrassen mit der Weinbepflanzung. Besondere Bedeutung hatte der Wein im 18. Jahrhundert als Zahlungsmittel. Ende der 1970er Jahre wurde mit der Wiederherstellung der Weinterrassen begonnen. Auch an der Schlossmauer im Unteren Garten werden heute verschiedene Weinsorten angebaut.
Neben den Obstwiesen gab es Obstanbau auch am Schlossgraben. Dazu wurden Obstbaumspaliere angelegt. Anfang des 18. Jahrhunderts ist bereits Spalierobst im Garten nachzuweisen, da 1708 Latten für Spaliere im Herrschaftlichen Gemüsegarten gekauft wurden. Stärkere Beachtung findet der Spalierobstanbau in den historischen Quellen erst im 19. Jahrhundert. Am Eingang zum Lustgarten befanden sich auf beiden Seiten Obstspaliere. 1831 war angedacht, Weinstöcke auf den Schlossterrassen zu entfernen, um Platz für Spalierobst zu gewinnen. Gärtnermeister Mönch empfahl aber, die Spaliere im Schlossgarten stattdessen „längs der Stadtmauer hinaus […] anzulegen“, weil die klimatischen Gegebenheiten dort besser seien. Er schlug je 14 – 16 Stück Aprikosen- und Pfirsichspaliere, zusätzlich zu den offenbar schon vorhandenen alten Spalieren am Schlossgraben, vor. Dennoch wurden die noch 1839 bestehenden Weinstöcke entfernt und durch Aprikosen- und Pfirsichspaliere ersetzt. Später kamen im Schlossgraben zu den Steinobstspalieren 1866 auch Apfel- und Birnenspaliere hinzu, die als Ersatzpflanzungen für abgegangene Spaliere dienten. Die Mehrzahl des heute im Garten befindlichen Spalierobstes wächst innen an der Ostmauer des Obstgartens. Wenige Spaliere befinden sich auch im Küchengarten. Es ist zu vermuten, dass es sich dabei um den Standort handelt, den Mönch 1831 für die Spalierobstbepflanzung vorschlug.
Küchengarten am Gärtnerhaus
Im Zuge der Verfüllung des Stadtgrabens entstand 1709 der Küchengarten am Gärtnerhaus. Das Gärtnerhaus bot im Obergeschoss Platz für die Wohnung des Hofgärtners. Darunter befindet sich ein Gartensaal, gestaltet mit Fresken, auf denen Allegorien der Jahreszeiten und der Erdteile abgebildet sind. Dieser „Sala terrena“ beherbergte im Winter exotische Pflanzen. Die vorhandene direkte Verbindung hinaus in den Garten erleichterte dabei den Transport der Pflanzen. Schon im 17. Jahrhundert gab es im Küchengarten ein Glashaus zur Unterbringung exotischer Pflanzen. Planungen von 1848 hatten die Absicht, ein Remisengebäude im Garten wiederzuerrichten. Ferner sollte darin das alte Gewächshaus abgebrochen und durch ein neues Gebäude, welches ein Obstmagazin, eine Holzlege und einen Kelter- und Obstdörrplatz beinhaltet, ersetzt werden. 1989 wurde der Küchengarten neu angelegt. Es war dabei angedacht, „historische[…] Gartenpflanzen“ innerhalb des Küchengartens zu präsentieren. Heute zeigt sich der Garten in der Gestaltung aus dem Jahr 2008, deren Ziel es ist, die historische Nutzung als Küchengarten wieder kenntlich zu machen. Archivalisch belegte Küchenpflanzen wurden zunächst noch verstärkt mit Wechselflorbepflanzung gemischt. 2009 wurde der Gemüse- und Kräuteranbau intensiviert, mit dem Ziel, sich noch weiter an die historische Nutzung dieses Gartens anzunähern. Wegen hohem Personalbedarf kann bisher allerdings keine weitere Intensivierung des relativ pflegeaufwendigen Gemüseanbaus erfolgen.
Andreas Buschmeier
Weiterführende Literatur:
Troll, Hartmut; Stolz Joachim (2013) Schlossgarten Weikersheim. Berlin München: Deutscher Kunstverlag
Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (Hrsg) Schwerin, Sophie von; Steudle, Andrea (2008) Wasserkunst und Götterreigen. Geschichte und Entwicklung des Weikersheimer Schlossgartens. Regensburg: Schnell und Steiner
Abbildungen:
Abb. 1) Deckengemälde im Rittersaal (Ausschnitt mit Schloss und Garten) von Balthasar Katzenberger, Foto: SSG
Abb. 2) Lambrisbild im Weikersheimer Rittersaal von Christian Thalwitzer, 1714, Foto: SSG
Abb. 3) Kataster Weikersheim von 1833 (Ausschnitt), Vorlage: Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein HZAN We 120 Nr. 118, Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=3-155026
Abb. 4) Übersichtsplan Schloss Weikersheim, SSG
Abb. 5) Küchengarten Blick Richtung Osten, Foto: Karolin Böhm
Abb. 6) Küchengarten Blick Richtung Westen, Foto: Brigitte Ihns
Abb. 7) Küchengarten: Pflanzung entlang der Stadtmauer, Foto: Brigitte Ihns
Abb. 8) Küchengarten: Stadtmauer mit Spalieren, Küchengarten, Foto: Brigitte Ihns
Abb. 9) Haferwurz (Tragopogon porrifolius), archivalisch belegte Nutzpflanze in Weikersheim, Foto: Brigitte Ihns
Abb. 10) Unterer Garten mit Eckpavillon und westlicher Schlossmauer, Foto: Andreas Buschmeier
Abb. 11) Blühwiese im Unteren Garten, Foto: Brigitte Ihns
Abb. 12) Unterer Garten mit westlicher Schlossmauer, Foto: Brigitte Ihns
Abb. 13) Unterer Garten mit südlicher Schlossmauer, Foto: Brigitte Ihns
Abb. 14) Ananasblüte, Foto: Nathalie Ott
Abb. 15) Anzuchtkästen mit Ananaspflanzen, Foto: Lisa-Katharina Gagel
Abb. 16) Publikation von Matthias Lebl, Foto: SSG
Abb. 17) Orangerie mit eingelagerten Pflanzen, Foto: Andreas Buschmeier
Abb. 18) Yucca: Lambrisbild von Christian Thalwitzer aus dem Rittersaal von Schloss Weikersheim, Foto: SSG
Abb. 19) Pomeranze: Lambrisbild von Christian Thalwitzer aus dem Ritterssal von Schloss Weikersheim, Foto: SSG
Abb. 20) Schlossterrassen, Foto: Nathalie Ott
Abb. 21) Schlossterrassen, Foto: Brigitte Ihns