Nutzpflanzen in historischen Gärten

Der Winzerberg östlich von Sanssouci


Entstehung der Anlage im 18. Jahrhundert
Nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges (1756-63) sollte auf Wunsch des preußischen Königs Friedrich II. nicht nur der umfangreiche Komplex des Neuen Palais westlich des Parks Sanssouci errichtet werden, sondern die Verschönerungen auch auf den nordöstlich des Parks angrenzenden Höhenzug ausgedehnt werden. Dort waren einige ehemalige Weinberge 1740 durch den strengen Winter ruiniert worden. Es wurde die Aufwertung einer besonders unansehnlichen Stelle gleich oberhalb des Obelisken von Sanssouci beschlossen, die bis dahin als Lehmgrube genutzt worden war. Hier sollte eine Anlage aus fünf steilen Terrassen mit Talutmauern nach dem Vorbild des Weinbergs von Sanssouci entstehen. 1763 wurden die ersten Pläne zu dieser Anlage gezeichnet, die in Form eines großen Fünfecks von Mauern umgeben war. Ungeduldig befahl der König den Baubeginn, ohne die erforderlichen Kostenanschläge abzuwarten. Als große Erschwernis stellte sich dann bei näherer Untersuchung der lehmige Baugrund heraus. Um die erforderlichen Stützmauern auf stabilem, tragfähigem Untergrund zu gründen, mussten deren Fundamente zwischen 22 und 29 Meter tief sein. Das bestätigte sich, als während des Bauablaufes ein Mauerteil dem Hangdruck nicht mehr standhielt und einstürzte. Seinerzeit gab es technologisch keine andere Möglichkeit, als faktisch den ganzen Berg abzutragen, dann die Fundamente aus mit Bögen verbundenen Stützpfeilern zu errichten und anschließend das Bodenmaterial wieder einzufüllen. Für die damals beträchtliche Summe von 36.000 Talern und in nur einem knappen Jahr entstand so die heute noch erlebbare Grundstruktur der Anlage. (Heinrich Ludwig Manger: Baugeschichte von Potsdam … 2. Band, Berlin und Stettin 1789, Reprint Leipzig 1987, S. 263-265) In den folgenden fünf Jahrzehnten erfolgten keine grundlegenden Änderungen und Modernisierungen. Ein im Jahr 1813 gefertigtes Aufmaß stellt sehr anschaulich die gestalterische Ursprungslösung in Grundriss und Schnitt dar (Abb. 01). Den nördlichen Teil der etwa 1,2 Hektar großen, fünfeckigen und durch Mauern eingefassten Anlage nehmen die fünf Talutmauern (schräge, unbeheizte Treibmauern) ein. Aus dem Schnitt und den beigefügten Beschreibungen ist ablesbar, dass die obere und untere Mauer über jeweils 2 übereinanderliegende Reihen, die drei mittleren über jeweils eine Reihe Fenster verfügten, die wie bei den Terrassen des Sanssouci-Weinbergs schräg vor die massiven Stützmauern gestellt waren, um ohne zusätzliche Heizung die Wärme des Sonnenlichts maximal ausnutzen zu können. Die Gesamtzahl der einzelnen erforderlichen Glasscheiben war damals 24.891 Stück. Oben verfügte jede Mauer über ein vorgezogenes Dach zum Schutz der Fenster und zur Ableitung von Regenwasser. Es gab zwei seitliche Erschließungsrampen und unten sowie an der östlichen oberen Ecke zwei Eingänge, außerdem eine Wächterhütte und einen Brunnen. Über die pflanzliche Ausstattung und Details der Gliederung der Kulturflächen macht der Plan leider keine Aussagen. (SPSG, Graphische Sammlungen, GK II (1) 5329). Der zeitgenössische Chronist Heinrich Ludwig Manger berichtet aber: „… und es sind seitdem die vortrefflichsten ausländischen Weintrauben, Pfirsichen, Feigen und Aprikosen an den mit Fenstern bedeckten Mauern erzielet worden, weil deren Lage besonders schön ist, da sie der Sonne von früh an bis in den Abend genießen.“ (Manger a.a.O.). Die ebenen Flächen auf und unterhalb der Terrassen wurden für Melonenkästen, Kultur von Spargel, verschiedenen Küchengewächsen und Futtermittelanbau genutzt. Die Betreibung der Fläche unterstand für siebzig Jahre den Gärtnern der Familie Krutisch, die auch den östlichen Lustgarten und die Melonerie von Sanssouci zu betreuen hatten. In den Jahren 1790-1794 musste die Anlage mit steinernen Schwellen, neuen Streben, Dächern und Fenstern grundlegend instandgesetzt werden, was sich gleich positiv auf den Ertrag auswirkte. (G. Schurig u.a.: Die Zier- und Nutzgärten in Sanssouci von 1744 bis 1801, SPSG, Berlin, 2001, S. 74.)

Die Anlage bekommt italienisches Flair
Unter Friedrich Wilhelm IV. wurde 1849 der Weinberg, der inzwischen westlich durch eine Fläche mit freistehenden Weinstöcken vergrößert worden war, mit einem antikisierenden Winzerhäuschen auf der Hügelkuppe und mit Pergolen auf allen Mauern im damaligen Zeitgeschmack italienisch verschönt. Im Folgejahr kam noch das Triumphportal aus Terrakotta mit seitlich anschließenden Sitznischen am unteren Eingang hinzu. Der Potsdam-Führer Carl Ludwig Häberlin beschreibt den Eindruck: „Dieser eigentliche Weinberg […] besteht aus zwei Theilen: dem terrassierten Bergabhange und dem untern ebenen Garten. Am Berggelände erhebt sich zunächst aus dem untern Garten vom Boden aufsteigend eine 14 Fuß hohe Dossirungsmauer [unterste Stützmauer, d.A.]; in der Mitte derselben führt eine doppelte steinerne Freitreppe auf die erste Terrasse, welche einen mit einer Weinlaub-Pergola geschmückten Gang bildet. Die mittlere vorspringende Mauer zwischen den beiden Freitreppen ist, den Charakter der ganzen Anlage bezeichnend, mit einer colossalen jugendlichen Bacchusbüste, deren Stirn mit Weinlaub umwunden ist, geschmückt. Die Dossirungsmauer selbst enthält auf jeder Seite vier, im Ganzen acht Nischen, jede mit einer Bildsäule nach Antiken unter Lebensgröße. An gespannten Dräthen werden an der Vorderwand ausgezeichnete veredelte Weinsorten gezogen. Über jene erste Terrasse erheben sich noch vier Terrassen, jede gradlinig mit Talutmauern und Fenstern zum Treiben feiner Wein- und Obstsorten. An beiden Seiten führen schmälere Freitreppen bis auf die oberste dieser Terrassen. Die in Absätzen nach der Treppe zu im Westen ansteigende Böschungs-Mauer ist mit Feigenbäumen bekleidet, welche man wohl selten in unserem nördlichen Klima in dieser Größe und so reicher Üppigkeit und Fülle, so mit Früchten beladen im Freien sehen mag, als hier. Der untere Garten hat im Charakter eines Weinberges mehr den eines Nutz- als Ziergartens. Küchengewächse und einige Blumenpartien bilden die Vegetation der beiden Quadrate, zwischen denen ein breiter Weg zu der früher geschilderten Freitreppe hinführt und den vollen Anblick derselben durch das Einfahrtsthor offen läßt …“ (C.L. Haeberlin gen. Belani: Sanssouci, Potsdam und Umgegend, Berlin und Potsdam 1855, S. 219 f.). Ein opulentes Triumphstraßenprojekt des Königs, das an dieser Stelle mit einer großen Serpentine und einem Friedrichdenkmal beginnen sollte und bis zum Orangerieschloss im Westen führen sollte, wurde nicht verwirklicht. Unter den nachfolgenden Regenten wurde der Winzerberg weiter betrieben und auf bestem Stand gehalten. 1905-1908 wurden jährlich auf jeweils einer Terrasse die überalterten Weinstöcke durch neue Topfreben ersetzt. Davon konnten noch Jahrzehnte später die Gärtner der Schlösserverwaltung zehren, die nach Abdankung des Kaisers die Fläche museal bewirtschafteten. Um 1936 wurden 600 – 700 kg Tafeltrauben, vorwiegend der Sorten ´Forsters White Seedling´ und ´Black Hamburgh´ hier geerntet. (Franz Ollram: Der Weinberg in Potsdam-Sanssouci, Zeitungsartikel 1936).

Extensives Betreiben und langsamer Verfall
Nach 1945 begann aus Finanz- und Personalknappheit der langsame Niedergang der nur noch extensiv bewirtschafteten Flächen. Anfangs wurde der Wein noch als Deputat für die Betriebsangehörigen geerntet, bist die Pflege unrentabel und nach 1968 durch Einsturz von Fenstern zu gefährlich geworden war. 1988 pachtete ein Bauer letztmalig die untere ebene Fläche zum Anbau von Futtermöhren. Der westlich angrenzende Weinberg war in der Zwischenzeit für Kleingärten parzelliert worden und auf den Terrassen machte sich nun massiver Wildwuchs breit.

1993 begann mit der Entfernung von Trümmerschutt aus unter den Terrassen liegenden Bunkergängen der Kriegszeit die schrittweise Sanierung. Zur Stabilisierung des Baugrundes wurden diese Stollen anschließend mit etwa 500 Tonnen langsam aushärtendem Asche-Zement-Gemisch verpresst. Acht Jahre später wurde der teilweise schon zu Bäumen herangewachsene Wildwuchs entfernt, der wertvolle Altbestand notdürftig gesichert und damit die Grundlage zu einer Vermessung geschaffen.

Die vorbildliche Wiedergewinnung der einstigen Schönheit
Seit 2004 kümmert sich der rührige Bauverein Winzerberg ehrenamtlich und mit Spenden unterstützt auf der Basis eines Nutzungsvertrages mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten um die denkmalgerechte Wiederherstellung und anschließende Betreibung der Anlage. Wissenslücken und erforderliche Recherchen konnten auf dessen Betreiben hin durch eine Reihe von studentischen Abschlussarbeiten geschlossen werden. Erheblicher ehrenamtlicher Einsatz der Vereinsmitglieder und der Bevölkerung in der Freizeit, gute Kontakte zu Fachleuten im Bereich der Denkmalpflege, Einnahmen aus Spenden und durch verschiedenste Veranstaltungen halfen zu einem guten Fortschritt der Arbeiten. Stück für Stück wurden die Terrassenmauern saniert und zum Teil wieder neu aufgemauert, Musterachsen für die denkmalgerechte Gesamtsanierung geschaffen, konstruktive Fehler korrigiert, die Mauern, Pergolen, Holzkonstruktionen, Geländer, Gewächshausfenster wiedererrichtet und auch schon wieder historische Tafeltraubensorten, Gemüse und Kräuter gepflanzt.

Neben der Gruppe der mit der Sanierung und dem Wiederaufbau beschäftigten Bauspezialisten wurde gleich zu Beginn auch ein Team für die denkmalgerechte Bepflanzung und Pflege der Kulturflächen ins Leben gerufen. Eine weitere Gruppe organisiert eine Fülle von regelmäßigen und besonderen Veranstaltungen und Führungen, die den Winzerberg fest im Veranstaltungskalender der Stadt und im Bewusstsein der Bevölkerung verankern und zu einer erfreulich hohen Spendenbereitschaft führten. Für das umfangreiche und ausdauernde Engagement wurde der Bauverein Winzerberg 2016 mit dem Brandenburgischen Denkmalpflegepreis und 2018 mit dem Europa Nostra Preis der EU geehrt.

Viele hilfreiche weiter Informationen zur Geschichte, Besichtigungs-, Veranstaltungs- und Spendenmöglichkeiten sowie zur Möglichkeit der eigenen Beteiligung sind unter der Website des Bauvereins Winzerberg e.V. zu finden: https://1614937823.jimdofree.com/


Gerd Schurig



Auswahl an gepflanzten Weinsorten
Madeleine Royale, Blaue Eicheltraube, Blauer Muskateller, Malaga, Weiße Alicante, Falscher Trollinger, Muscat of Alexandria, Weißer Damaszener, Echte weiße Korinthe, Datteltraube, Black Hamburgh, Jakobstraube, Madeira-Muskat, Roter Muskateller

Weiterführende Literatur:

Schendel, Adelheid und Schurig, Gerd: Die Zier- und Nutzgärten in Sanssouci von 1744 bis 1801, SPSG, Potsdam 2001
Schurig, Gerd: Schön und nützlich. Die Produkte der Sanssouci-Gärtnereien, in: Schön und Nützlich. Aus Brandenburgs Kloster-, Schloss- und Küchengärten, Ausstellungskatalog HBPG, Potsdam 2004
Schurig, Gerd: Die Blüte der Fruchtkultur im Sanssouci Friedrichs II., in: Friederisiko. Friedrich der Grosse. Die Ausstellung, Katalog SPSG (Hrsg.), München 2012, S. 56-61.

Stiftung Preussische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg
Postfach 60 14 62
14414 Potsdam
Telefon: 0331 96 94-0

Bauverein Winzerberg e. V.
Friedrich-Engels-Straße 39
14482 Potsdam
Telefon: 0331 29 68 16



Abbildungen:

Abb. 01) Voss, Bestandsaufmaß des Winzerberges, 1813 (SPSG, Planslg. 5329), Bild 1 von 21
Abb. 02) A. Lompeck, Der Winzerberg von unten, 1851 (SPSG, Planslg. 2049), Bild 2 von 21
Abb. 03) C. G. A. Graeb, Blick vom Winzerberg auf Potsdam, 1852 (SPSG, GK II (5) 994), Bild 3 von 21
Abb. 04) A. Lompeck, Der Winzerberg mit Triumphtor von unten, 1853 (SPSG, Aquarellslg. 2052), Bild 4 von 21
Abb. 05) L. F. Hesse, Ansichten und Schnitte des Winzerberges, 1854 (SPSG, Planslg., Kupferstichbände B 39, Hesse Bd. 1), Bild 5 von 21
Abb. 06) E. Grunwald, Triumphtor und Winzerberg um 1920 (Potsdam-Museum, Grunwald-Album „Sanssouci II“, no. 32), Bild 6 von 21
Abb. 07) Blick auf das Winzerhaus oberhalb der verfallenen Winzerberg-Anlage im Jahr 1998 (SPSG, Foto O. Thiede, Serie „Weingärten“ 1998), Bild 7 von 21
Abb. 08) Zusammengebrochener Mauerabschnitt und Reste der Pergolen um 2008 (Foto R. Schulze 2008), Bild 8 von 21
Abb. 09) Die Mittelachse der zugewachsenen Winzerberganlage um 2008 (Foto R. Schulze 2008), Bild 9 von 21
Abb. 10) Eingestürzter Bereich der untersten Terrassenmauer 2008 (Foto R. Schulze 2008), Bild 10 von 21
Abb. 11) Während der Bestandserfassung und Schadenskartierung im März 2010 (SPSG, Foto G. Schurig 2010), Bild 11 von 21
Abb. 12) Luftaufnahme während der Sanierungsmaßnahmen im April 2010 (Foto R. Schulze 2010), Bild 12 von 21
Abb. 13) Blick vom Triumphtor auf den Berg während der Sanierung im Juni 2014 (SPSG, Foto G. Schurig 10.06.2014), Bild 13 von 21
Abb. 14) Luftaufnahme aus dem Jahr 2015 (SPSG, Foto H. Dietz 2015), Bild 14 von 21
Abb. 15) Während der Wiedererrichtung der fehlenden Pergolen und Brüstungsmauern (Foto R. Schulze 2016), Bild 15 von 21
Abb. 16) 2016 ist die eingestürzte Terrassenmauer wieder komplett und die Pergolen ergänzt (Foto R. Schulze 2016), Bild 16 von 21
Abb. 17) Mitte 2016 sind die hölzernen Konstruktionen der schrägen Fensterwände fast komplett und der inzwischen gepflanzte Wein wird gepflegt (SPSG, Foto G. Schurig 20.06.2016), Bild 17 von 21
Abb. 18) Die nachgefertigten gusseisernen Rahmen liegen für Anstrich, Verglasung und den Einbau auf den Terrassen bereit (SPSG, Foto G. Schurig 20.06.2016), Bild 18 von 21
Abb. 19) Auf den planierten und zum Teil schon wieder bepflanzten Terrassen kann das Publikum im Rahmen der „Bacchusstunde“ wieder die Anlage genießen (SPSG, Foto G. Schurig 09.08.2019), Bild 19 von 21
Abb. 20) Der zentrale Bereich mit der Freitreppe, den Talutmauern und wieder bepflanzten Pergolen im Sommer 2020 (Foto R. Schulze 2020), Bild 20 von 21
Abb. 21) Bei der Pflege des Weins an den Pergolen (Foto R. Schulze 2021), Bild 21 von 21

Bildergalerie
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