Nutzpflanzen in historischen Gärten


Chicorée

(Cichorium intybus var. foliosum)

Chicorée, der auch unter der Bezeichnung Salatzichorie (Cichorium intybus var. foliosum) bekannt ist, ist eine Kulturform der Wegwarte (Cichorium intybus). Letztere erhielt ihren Namen auf Grund ihres häufigen Vorkommens an Wegrändern. Diese ausdauernde, krautige Pflanze mit einer Wuchshöhe zwischen 30 und 140 cm bringt im Sommer himmelblaue Blüten hervor. Zedler (1) führt sie unter der Bezeichnung "Hindläufft" und empfiehlt die Wurzeln des Krautes zur Heilung diverser körperlicher Beschwerden. Nicht nur für Heilzwecke sondern auch als Gemüse war die fleischige Rübe bereits den Römern und den Griechen bekannt.

Die Wurzelzichorie (Cichorium intybus var. sativum), ebenso eine Art der Wegwarte, verwendete man seit dem 17. Jahrhundert als Kaffeeersatz, indem man die geernteten Rüben röstete, so dass ein dem Kaffee in Konsistenz und Geschmack ähnelndes Pulver entstand. Dies machte sich Friedrich der Große zu Nutze: er förderte den Anbau auf Feldern, um die Devisen für den teuren Bohnenkaffee zu sparen. (2) Vor allem in den Gegenden von Breslau, Berlin und Magdeburg entstanden in Folge dessen zahlreiche Fabriken zur Verarbeitung der Kaffeezichorie. (3)

Der Chicorée hingegen ist ein wichtiges Blattgemüse. Die zweijährige Pflanze besteht aus einer 15-20 cm langen und mehrere Zentimeter dicken Rübe sowie einer oberhalb der Erdoberfläche ausgebildeten Blattrosette. Durch eine besondere Art des Treibens entstehen die bleichen und zarten, zum Verzehr geeigneten Blätter. "Die Salatzichorie wird im Herbst mitsamt der Wurzel dem Boden entnommen und die entfalteten Blätter werden 2-5 cm über dem Herz, unter Schonung desselben, abgeschnitten. (…) Im Winter beginnt das Antreiben der Wurzeln (…). Man hebt zu diesem Zweck ein 1-1,5 m breites und einen Spatenstich tiefes Bett aus. In dieses pflanzt man dicht nebeneinander die fingerdicken Wurzeln so ein, daß die Köpfe mit der Bodenfläche abschneiden. Darüber bringt man eine ca. 15 cm dicke Sandaufschüttung und bedeckt diese mit Erde und Laub. Durch die entstehende Wärme werden die Sprosse zum Treiben veranlaßt und nach zirka vier Wochen ist die Sandschicht von dicken, weißen, in ihren oberen Teilen leicht gelblichen "Schossen" durchwachsen." (4)

Bezüglich des "Entdeckers" dieser Methode gibt es zwei Versionen. Bei einer der beiden Varianten ist Bresier aus dem Botanischen Garten von Brüssel der Erfinder, da er in den 1850er Jahren "durch Aufbringen von Erde auf ungeköpfte Wurzeln weiße, kopfbildende Blätter erzielte." (3) Die zweite Theorie besagt indessen, dass belgische Bauern Ende des 19. Jahrhunderts auf Grund einer Übermenge vorhandener Zichorienwurzeln diese zur Lagerung einschlugen, um dann im Laufe des Winters die Entdeckung der kräftig austreibenden Knospen zu machen. Gleichwohl welche Variante die historisch Richtige ist, Belgien ist in beiden Fällen das Ursprungsland des Chicorées. Auch heute noch ist das Land neben Frankreich und den Niederlanden eines der drei Hauptproduzenten für den europäischen Markt. Allerdings wird mittlerweile ein anderes, rationelleres Produktionsverfahren angewendet: das hydroponische Treiben, auch als Wassertreiberei bezeichnet. Dabei werden die Wurzeln in Regale, die in klimatisierten Räumen stehen, verteilt und mit Hilfe einer Nährlösung versorgt.

Dass in Belgien nicht nur der meiste Chicorée produziert wird, sondern die Belgier auch diejenigen Europäer sind, die ihn am häufigsten verzehren, zeigen folgende Zahlen: Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei 8,5 kg und damit noch vor der Zwiebel und der Tomate. Die Deutschen hingegen verspeisten in den 1990er Jahren gerade mal 380 g dieses Wintergemüses. (3) Ob das am leicht bitteren Geschmack der Blätter liegt, der durch den Intybin-Gehalt entsteht?
Becker-Dillingen schreibt 1929 von einer "Abneigung" gegen den Chicorée in der deutschen Bevölkerung und begründet dies mit der falschen Zubereitung. (5) Die Belgier hingegen wissen dieses mineralstoff- und vitaminreiche Wintergemüse womöglich mehr zu schätzen, da sie ihn auf vielfältigste Art und Weise - gedünstet, gebraten oder gratiniert und folglich "richtig zubereitet" - genießen.

Linda Großkopf


(1) Zedler, Johann Heinrich: Grosses vollständiges Universallexikon aller Wissenschaften und Künste, 1731/1754, Band XII, S. 132.
(2) Franke, Wolfgang: Nutzpflanzenkunde, Stuttgart 1992, S. 110.
(3) Vogel, Georg: Handbuch des speziellen Gemüsebaues, Stuttgart 1996, S. 85/88/96.
(4) Rauh, Werner: Morphologie der Nutzpflanzen, Heidelberg 1950, S. 127.
(5) Becker-Dillingen, J.: Handbuch des gesamten Gemüsebaues, Berlin/ Hamburg 1929, S. 729.


Rezept
Gratinierter Chicorée mit Chorizo
(aus: Rezept aus der Wochenzeitschrift Zeit, März 2012)
4 Stück Chicorée
70 g Butter
2 EL Puderzucker
1 kleine Schalotte
30 g Mehl
300 ml Geflügelbrühe
700 ml Milch
1 EL Petersilie (gehackt)
1 Ei
100 g Emmentaler
Salz
Pfeffer
16 Scheiben Chorizo
50 g Parmesan (gerieben)
evtl. 8 Basilikumblätter zum Garnieren

Chicorée putzen, der Länge nach halbieren und, nach Geschmack, den bitteren Strunk in der Mitte herausschneiden. Eine große Pfanne mit etwa der Hälfte der Butter einreiben, mit Puderzucker bestäuben und die Chicoréehälften hineinlegen. Jetzt erst die Pfanne erhitzen, Gemüse anbraten. Wenn der Zucker karamellisiert, die Hälften in der Pfanne wenden.
In der Zwischenzeit die Béchamel-Soße vorbereiten. Dazu wird die restliche Butter in einem Topf zerlassen. Die fein gewürfelte Schalotte darin anschwitzen. Mit dem Mehl abstäuben und hell anschwitzen. Unter ständigem Rühren nach und nach mit Geflügelbrühe und Milch ablöschen. Aufkochen und die Petersilie dazugeben. Etwas abkühlen lassen, das Ei verquirlen und beimischen, gut verrühren und nicht mehr erhitzen. Den geriebenen Emmentaler untermischen, Soße mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Die Chicoréehälften in eine Auflaufform schichten, mit den Chorizoscheiben belegen. Parmesan darüberstreuen und die Soße dazugeben. Im vorgeheizten Ofen bei 220 Grad ungefähr 25 Minuten backen.
Auf den Tellern anrichten. Wer mag, gibt dann noch ein paar Basilikumblätter darüber.

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