Nutzpflanzen in historischen Gärten


Die Linse, auch Erve oder Küchen-Linse

(Lens culinaris Medik.)

Die Küchen-Linse stammt wahrscheinlich von der Wild-Linse (Lens culinaris subsp. orientalis Boiss.) ab, die in Kleinasien vorkommt. Sie zählt zu den ältesten Kulturpflanzen, wie Funde aus frühen menschlichen Siedlungen belegen und wurde zum Beispiel auch im Alten Ägypten kultiviert.

Die Linse wächst zu einer Höhe von ca. 50 cm heran und blüht von April bis September. Aus den traubigen Blütenständen mit einer bis drei Blüten entwickeln sich zwischen Mai und September die typischen Hülsenfrüchte.

Die deutschen Kräuterbücher des 16. bis 18. Jahrhunderts führen zwei oder drei Linsenarten auf, so beschreibt zum Beispiel Theodor Zwinger die „Gemeine Deutsche Linse – Lens vulgaris Germanica“ und die „Zahme Italiänische Linse – Lens sativa Italica“. Tatsächlich handelt es sich dabei um unterschiedliche Sorten der einen Art Lens culinaris.
In Deutschland wurden die Linsen vor allem in kalkhaltigen Mittelgebirgsregionen kultiviert. Der Anbau ging im Laufe des 19. Jahrhunderts zurück und kam im 20. Jahrhundert fast vollständig zum Erliegen. Erst seit wenigen Jahren werden in Deutschland Linsen wieder in nennenswerten Mengen produziert.

Der Anbau der Linse gelingt am besten auf durchlässigen, kalkreichen und mageren Böden. Auf nährstoffreichen Standorten dagegen sind Linsen sehr anfällig für Pilzkrankheiten.
Der ackerbauliche Anbau der Linse sollte nicht in Reinsaat erfolgen, da die Pflanzen wenig standfest sind und die Gefahr des Lagerns besteht. Vorteilhaft ist ein Mischanbau mit Getreide als Stützfrucht - geeignet sind hier vor allem Gerste und Hafer, an denen sich die Linsen festranken können.
Mit der Aufgabe für Aschenputtel, eine Schüssel Linsen zu lesen, fand die Hülsenfrucht auch ihren Weg in die Märchenwelt der Gebrüder Grimm: Mit Hilfe der Tauben - „die schlechten ins Kröpfchen, die guten ins Töpfchen“ – löst Aschenputtel schließlich die zeitraubende Aufgabe.

Linsen waren noch im 19. Jahrhundert als Speise des „gemeinen Mannes“ bekannt, die „schwer zu verdauen und sehr blähend“ sei. Ausreichend lange Kochzeiten und vorheriges Einweichen der Linsen reduzieren die blähende Wirkung der Hülsenfrüchte. Die erforderlichen Kochzeiten sind je nach Linsengröße unterschiedlich, große braune Tellerlinsen müssen bis zu einer Stunde gekocht werden, während bei kleinen Linsen eine Kochzeit von 20 bis 30 Minuten ausreicht. Geschälte Linsen sind am schnellsten fertig, hier reicht eine Garzeit von ca. 10 Minuten.

Kurt Grübl


Rezept
Linsen=Suppe
(aus „Anna Bergner’s Kochbuch“, 1870)

Wasche 16 Loth [250 g] schön belesene Linsen, thue sie in 6 Schoppen [3 Liter] Wasser, lege einen Selleriekopf dazu nebst ein klein wenig Knoblauch, lasse dies zusammen kochen, bis es gar ist; nimm den ganzen Selleriekopf heraus, und fülle die Linsen bis auf 6 Schoppen Suppe mit Fleischbrühe auf; dann lasse 6 Loth [rund 95 g] frische Butter heiß werden, schneide ganz fein eine mittelmäßige Zwiebel hinein nebst 2 Kochlöffeln voll Mehl, und röste dies zusammen gelb, bis die Zwiebeln anfangen, dunkel zu werden. Hierauf rühre dies in eine Pfanne und siebe von der Suppe Brühe hinein ohne Linsen, lasse dies dann in die Suppe laufen, aber so, daß keine Zwiebel mit hineinkommt; versuche die Suppe, ob sie gehörig gesalzen ist, koche in einem besonderen Geschirr einige Frankfurter Würstchen, und gieb sie zur Suppe. Viele lassen die Würstchen in der Suppe gar werden; allein dies giebt der Suppe einen strengen Geschmack, und sie wird auch zu fett. Zu dieser Suppe kann man auch gute Knoblauchswürste geben.


Verwendete Literatur:
Theodor Zwinger, Friedrich Zwinger: Theodori Zuingeri […] Theatrum botanicum, Das ist: Vollkommenes Kräuter=Buch, Worinnen Allerhand Erdgewächse, Bäume, Stauden und Kräuter, welche in allen vier Theilen der Welt, sonderlich aber in Europa, hervorkommen, neben ihren sonderbaren Eigenschaften, Tugenden, und vortrefflichen Wirkungen, auch vielen herrlichen Artzneymitteln und derer Gebrauche, wider allerley Krankheiten an Menschen und Vieh, [...], Basel 1744.

D. Johann Georg Krünitz: "Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft, in alphabetischer Ordnung", 1773 bis 1758. Verwendet wurde die "Oeconomische Encyclopädie online" der Universität Trier/Universitätsbibliothek: http://kruenitz1.uni-trier.de

Andrea Heistinger/Arche Noah/Pro Spezie Rara (Hrsg.): Handbuch Samengärtnerei, 2. Aufl. Innsbruck 2004.

Körber-Grohne, Udelgard: Nutzpflanzen in Deutschland von der Vorgeschichte bis heute, Stuttgart 1995.

Informationsportal Ökolandbau.de: Kulturdatenblatt Linse http://oekolandbau.de/erzeuger/pflanzenbau/spezieller-pflanzenbau/koernerleguminosen/linsen/
(Stand 02.03.2017)

Germershausen, Christian Friedrich: Der Hausvater in systematischer Ordnung, Band 2, Leipzig 1784.

Bergner, Anna: Anna Bergner’s Kochbuch, Quintessenz der rheinischen Kochkunst, Mannheim 1870.

D. F. L. von Schlechtendal, L. E. Langethal, Dr. Ernst Schenk: Flora von Deutschland, Fünfter Band, Jena 1854.


Abbildungen:
Abb. 1) Gemeine Deutsche Linse und Zahme Italienische Linse, in: Theodor und Friedrich Zwinger: Theatrum Botanicum, Basel 1744, S. 648.
Abb. 2) Linse, in: D. F. L. von Schlechtendal, L. E. Langethal, Dr. Ernst Schenk: Flora von Deutschland, Band 5, Jena 1854, Darstellung XVII,3.
Abb. 3) Linsensorten im Vergleich (von links nach rechts): Späths Alblinse II, geschälte Linse aus Türkei, Späths Alblinse I, Dunkelgrüne marmorierte Linse, Foto K. Grübl.

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