Die Gewöhnliche Sonnenblume
(Helianthus annuus L.)
Die Gewöhnliche Sonnenblume, eine einjährige Pflanze, gehört zu den Korbblütlern (Asteraceae). Sie bevorzugt trockene, stickstoffreiche Böden und kann an optimalen sonnigen Standorten rasch ein bis zwei Meter Höhe erreichen, manchmal auch weit darüber. Eine kräftige und sehr lange Pfahlwurzel gibt ihr den nötigen Halt. Die großen Scheinblüten setzen sich aus einer Vielzahl von Einzelblüten zusammen: Dabei bilden die sterilen gelben Randblüten einen Kranz um die braunen Röhrenblüten in der Mitte des Blütenkorbs, aus denen die Samen hervorgehen. Mit ihrem enorm schnellen Wachstum vom Frühjahr bis zum Beginn der Blüte im Juli versetzte sie die Menschen seit jeher in Erstaunen. Beliebt wegen ihrer auffälligen, an eine Sonne erinnernden Blüte und der langen Blütezeit vom Hochsommer bis in den Oktober, breitete sie sich im 16. Jahrhundert rasch als Zierpflanze in ganz Europa aus.
Heimisch ist die Sonnenblume in Nord- und Mittelamerika. Schon in prähistorischer Zeit verzehrten die Indianer die ölhaltigen Kerne der Wildform oder verarbeiteten sie zu Mehl. Später kultivierten sie die Sonnenblume.[1] In Peru wurde sie als Attribut von Sonne und Sonnengott als heilige Pflanze verehrt. Bei religiösen Festen trugen Frauen Kränze und Sträuße aus Sonnenblumen oder auch Schmuck in Gestalt von Sonnenblumen-Blüten.[2] Nach der Eroberung Mexikos und der südwestlichen Gebiete der heutigen USA brachten spanische Seefahrer die Samen der Sonnenblume Mitte des 16. Jahrhunderts nach Europa. Ihre Volksnamen beziehen sich daher nicht nur auf ihr Erscheinungsbild (Goldblume, Sonnenkrone, Sonnenstern), sondern spiegeln mit Bezeichnungen wie „Indianische Sonne“ auch ihre Herkunft wider.[3] Der botanische Name Helianthus ist von den griechischen Wörtern für Sonne (helios) und Blume (anthos) abgeleitet.
Von Spanien aus kam die Sonnenblume nach Italien und in die spanischen Niederlande, wo sie von Rembert Dodonaeus 1568 als Chrysanthemum Peruvianum erstmals beschrieben und abgebildet wurde.[1] Um 1570 kommt sie auch in Deutschland vor, zuerst wohl im Garten des Nürnberger Arztes Joachim Camerarius. Schon 1586 ist sie als dekorative Zierpflanze so verbreitet, dass Camerarius schreibt, sie sei „nun überall in Gärten und für den Fenstern bey uns also gemeyn geworden, daß es fast keiner sonderlichen Beschreibung bedarff“.[1] Anfang des 17. Jahrhunderts sind beispielsweise im herzoglich braunschweigischen Garten zu Hessen sieben verschiedene Sippen der einjährigen Sonnenblume mit unterschiedlichen Samen von schwarz über grau bis gestreift vorhanden. Im Hortus Eystettensis (1613) wird die Sonnenblume als Flos solis major mit sehr großer, endständiger Blüte abgebildet, Flos solis prolifer hingegen mit mehreren kleineren Blüten, die am Hauptspross entspringen. Die Anzahl von Sorten und Formen nahm ständig zu. Anfang des 18. Jahrhunderts wurden in Holland auch die ersten gefüllten Formen gezüchtet.[1]
Auch eine spezielle Eigenschaft, der so genannte Heliotropismus, wird bereits von Camerarius im Hortus Medicus (1588,) erwähnt: „Man nennet es Sonnenblumen von wegen der Figur und daß sie sich nach der Sonnen wendet“.[1] Vom Jugendstadium an dreht sich die Blüte der Sonnenblume mit der Sonne. Hat sie die Hauptblüte erreicht, bleibt sie nach Sonnenaufgang nach Osten gerichtet. Ovid erklärt dieses Phänomen in seinen „Metamorphosen“ folgendermaßen: Clytia verliebte sich unglücklich in den Sonnengott Apoll. Aus Schmerz über seine Zurückweisung aß und trank sie nicht mehr und verwandelte sich in eine Sonnenblume. Jeden Tag verfolgte sie sehnsüchtig mit ihrem zum Himmel gewandten Gesicht den Weg, den Apoll mit seinem Sonnenwagen von Ost nach West zurücklegte – daher dreht sich die Blüte der Sonnenblume stets zur Sonne.[4]
Eine große Bedeutung gewann die Sonnenblume auch als Nutzpflanze. In Preußen wurden bereits im 18. Jahrhundert Überlegungen zur Kultivierung der Sonnenblume als Ölpflanze angestellt. Von feldmäßigem Anbau in größerem Umfang kann jedoch erst im 19. Jahrhundert gesprochen werden, zunächst in sommerwarmen Regionen Ost- und Südeuropas, später auch in Südamerika und Südafrika. In Deutschland begann der Anbau zur Ölgewinnung erst, nachdem geeignete Kultursorten für das hiesige Klima gezüchtet worden waren.[1] Heute sind die Ukraine, Russland und Argentinien weltweit führend im Anbau von Sonnenblumen als Nutzpflanze, in Europa sind es Rumänien, Bulgarien und Ungarn. Sonnenblumenkerne enthalten Eiweiß und Mineralstoffe wie Calcium und Magnesium. Vor allem ihr Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren macht sie zu einem wertvollen Nahrungsmittel – sie werden als Ganzes verzehrt, in den Brotteig gemischt oder zu Mehl gemahlen. Aus den geschälten Kernen wird das Sonnenblumenöl hergestellt, das vor allem als Speiseöl verwendet wird und im Vergleich zu anderen Pflanzenölen besonders viel Vitamin E enthält. Sonnenblumenöl findet aber auch in Medizin und Pharmazie Verwendung. In raffinierter Form wird es in der Industrie als Schmieröl, Treibstoff oder Weichmacher eingesetzt sowie als Zusatz zu Farben und Lacken, bei der Lederbearbeitung und als Konservierungsmittel. Aus Sonnenblumenöl und Methanol wird außerdem Bio-Diesel hergestellt. Als Heilpflanze spielt die Sonnenblume eine vergleichsweise untergeordnete Rolle: Früher wurde das Öl bei Verstopfung verabreicht und zur Wundbehandlung verwendet. Es soll auch gegen Rheuma wirken.
In der Pflanzensymbolik verkörpert die Sonnenblume mit ihrem hohen Wuchs und der auffälligen Erscheinung Lebenskraft, majestätische Herrschaft, Stolz und Schönheit, aber auch opferbereite Hingabe. So wurde sie in England als Symbol für die Abhängigkeit zwischen Volk und König verstanden, in der christlichen Ikonographie hingegen steht sie für Ergebenheit gegenüber der katholischen Kirche.[3] Aufgrund ihrer Sonnensymbolik gilt sie als Sinnbild des Lebens an sich und damit auch als Bild für die Bewahrung der Schöpfung – eine Bedeutung, die sie zu einem beliebten Motiv für Logos von Organisationen und Initiativen aus dem Bereich Umweltschutz und Ökologie werden ließ. Auch in der Kunstgeschichte fand die Sonnenblume ihren Platz: In der Malerei erlangte sie besondere Bekanntheit durch Vincent van Gogh, der der Sonnenblume eine ganze Serie von Stillleben widmete.
Katrin Schulze
Rezept
Sonnenblumen-Giersch-Pesto
60 g geschälte Sonnenblumenkerne
7 EL Giersch-Blätter, klein geschnitten
1 EL Apfelessig
Salz, Pfeffer, 1 Prise Muskat
Die Sonnenblumenkerne in einem Gefäß gut mit Wasser bedecken und mindestens 8 Stunden einweichen lassen, dann zusammen mit einem Teil des Einweichwassers und dem Apfelessig mit dem Stabmixer pürieren Die Giersch-Blätter klein schneiden oder hacken. Mit Salz, Pfeffer, Muskatnuss zu den Sonnenblumenkernen hinzufügen und die ganze Masse zu einem Pesto pürieren (ggf. mehr Wasser hinzufügen).
Verwendete Literatur:
[1] Krausch, Heiz-Dieter, „Kaiserkron und Päonien rot...“ – Entdeckung und Einführung unserer Gartenblumen, München / Hamburg 2003, S. 194-199
[2] Heilmeyer, Marina, Die Sprache der Blumen. Von Akelei bis Zitrus, München / London / New York 2000, S. 78
[3] Zerling, Clemens, Lexikon der Pflanzensymbolik, Baden / München 2007, S. 251-252; Interessant auch zur Veränderung der Symbolik der Sonnenblume: Kovács, Attila Selmeczi, Ein neuzeitliches Blumensymbol: Die Sonnenblume, in: Harmening, Dieter / Wimmer, Erich (Hrsg.), Volkskultur – Geschichte – Religion, Würzburg 1990, S. 508-517
[4] www.wikipedia.org/wiki/Sonnenblume online: https://de.wikipedia.org/wiki/Sonnenblume
Abbildungen:
Abb. 1) Chrysanthemum peruvianum
Aus: Dodonaeus, Rembert: Stirpium historiae pemptades sex, sive libri XXX, 1583
Abb. 2) Flos solis major
Aus: Hortus Eystettenis, 1613 (Ausgabe 1713)
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Abb. 3) Blüte einer Sonnenblume
Foto Katrin Schulze
Abb. 4) Sonnenblumen, nach Osten gerichtet
Foto Katrin Schulze
Abb. 5) Sonnenblumenfeld
Foto Katrin Schulze
Abb. 6) Zwölf Sonnenblumen, Gemälde von Vincent van Gogh, 1889
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