Nutzpflanzen in historischen Gärten


Die Damason Renette

Synonyme: Reinette de Ma(s)con, Graue Reinette von Orleans
aus der Gruppe der Grauen Renetten, Lederäpfel

Die sogenannten "Grauen Renetten" stellen eine Gruppe innerhalb der Äpfel dar, deren Vertreter teilweise oder sogar gänzlich mit einer grauen Berostung bedeckt sind und dadurch eine matte Färbung aufweisen, die zwischen graubraun über zimtfarben bis graugrün liegt. Die Farbe und die lederartige Struktur dieser Äpfel, die sich noch verstärkt, wenn die Früchte "schrumpeln", haben ihnen auch den volkstümlichen Namen "Lederäpfel" eingebracht.
Bereits ab dem 12. Jahrhundert soll die "Graue französische Renette" bekannt sein, doch lässt sich dies heute nicht mehr mit Sicherheit nachweisen, da sich die vielen Vertreter der grauen Renetten teilweise sehr ähnlich sehen.
Heute existieren noch mehrere Dutzend Sorten dieser Gruppe, die bekanntesten sind neben den vorgenannten noch die "Graue Herbstrenette", die "Zabergäu Renette", die "Graue Kanada Renette" oder die "Osnabrücker Renette". Wer keinen Eindruck von einer grauen Renette hat, der stelle sich einen Boskoop vor, dessen Berostung große Teile der Frucht bedeckt.
Wie alle anderen Äpfel besitzen auch die Grauen Renetten eine Grundfarbe und eine Deckfarbe. Doch mitunter ist die Berostung so dicht, dass diese Farben nicht mehr sichtbar sind oder nur schwach durchscheinen.

Die "Damason Renette" wird erstmals im Jahre 1628 von Le Lectier als Renette de Ma(s)con beschrieben, woher sie auch stammen dürfte. (1) Andere Quellen datieren den Apfel um das Jahr 1600. (2)
Als erster deutscher Autor beschreibt Adrian Diel die "Reinette von Damason" im Jahre 1800 umfassend. Diel erhielt die Sorte nach eigener Aussage aus Verdun, fand aber auch "einige Bäume davon in Coblenz" wo man sie bloß die ‚Graue Renette‘ nannte". (3)
Johann Prokop Mayer führt 1801 in seiner Pomona Franconica dieselbe Sorte als "Graue Renette von Orleans" auf (nicht zu verwechseln mit der "Orleansrenette"). Seine Beschreibung beschränkt sich auf folgenden Satz: "[Sie] ist ebenfalls eine ziemlich gute Spielart der grauen [französischen] Renette". (4) Diel bestätigt die Echtheit der Sorte Mayers im Jahre 1819. (5)

Tatsächlich sind sich die beiden Sorten sehr ähnlich. Die "Graue französische Renette" wurde noch im 19. Jahrhundert stets zu den besten Apfelsorten gezählt, als ein sehr guter Tafel- und Wirtschaftsapfel. Die "Damason Renette" kommt ihr laut Diel "geschmacklich sehr nah", und "vortrefflich wird sie als Zwergbaum". "Das Fleisch ist gelbgrünlich, fein, fester als bei der grauen Reinette, voll Saft, und von einem zuckerartigen Muscatellergeschmack.".(3)

Der Apfel hat eine grüne Grundfarbe und reift mit einer intensiven, mitunter gestreiften blutroten Deckfarbe. Weite Teile der Oberfläche sind aber stets kräftig berostet, also mit einer rauen Korkschicht überzogen. Daher wirkt das Rot sehr verwaschen, und eben sehr grau. In ihrer Form ist sie regelmäßiger als die "Graue Französische Renette", die sehr ungleichförmig und oft kantig ausgebildet ist. Im Prinzip sind diese beiden Sorten aber kaum zu unterscheiden. Selbst renommierte Pomologen tun sich bei der Bestimmung der verschiedenen grauen Renetten schwer.
Beide Sorten halten sich auf dem Lager sehr lange, nach Diel "mit Sorgfalt aufbewahrt…über ein Jahr."! (6)
Vom Aussehen der Äpfel darf man sich nicht täuschen lassen. Die inneren Werte sind hier doch über jeden Zweifel erhaben, wie der Schweizer Pfarrer und Professor für Philosophie und Naturkunde, Peter Scheitlin, im Jahre 1838 auf humorvolle Weise berichtet:
"Bei den Lederäpfeln ist nicht die Farbe die Hauptsache, sondern deren feiner, gewürziger, liebenswürdiger Geschmack! Ja, ein vortrefflicher Apfel! Von ihm heißt’s: das Innerlich erquiket mich. Sieht auch ihr Äußeres einem Handschuh ähnlich – das hat nichts zu sagen. Es gibt viele Äpfel und Frauen, deren Inneres das Äußere weit übertrifft, und die durch Feinsinn, Zartsinn, innerliche Nettheit den Mangel des Äußern nicht nur ersetzen, sondern zehnfach vergüten. Man darf sich gar nicht scheuen, eine Lederäpfeljungfrau sich anzueignen. Innere Vorzüge halten länger als äußere. Die Lederäpfel behalten ihre Farbe wie ihren Geschmak bis in ihr Grab oder den Magen dessen, der sie ißt, und Kenner bringen gerade sie auf die Tafel. Sobald man sie erkennt, lobt man sie, und nach gewonnener Einsicht gelobt werden, ist das Ehrenvollste. (7)

Michael Degle

Verwendete Quellen:
(1) "Nach der Arbeit" Zeitschrift - ohne Autor (1935-56), Farbtafeln aus der Beilage der Illustrierten Wochenzeitung - Obsttafel Nr. 180
(2) HARTMANN, Walter; FRITZ, Eckhart (2008). Farbatlas alte Obstsorten. Stuttgart, S.52
(3) Diel, August Friedrich Adrian (1800). Versuch einer systematischen Beschreibung in Deutschland vorhandener Kernobstsorten. Drittes Heft. Äpfel. Frankfurt am Main, S.221
(4) MAYER, Johann Prokop (1801): Pomona Franconica. Band 3. Nürnberg, S.133, Abbildung auf Tafel XXVI, Nr.43
(5) Diel, August Friedrich Adrian (1819): Versuch einer systematischen Beschreibung in Deutschland vorhandener Kernobstsorten. 21. Heft. Äpfel und Birnen. Frankfurt am Main, S.XII (Vorbericht)
(6) Diel, August Friedrich Adrian (1800): Versuch einer systematischen Beschreibung in Deutschland vorhandener Kernobstsorten. Erstes Heft. Äpfel. Frankfurt am Main, S.168
(7) Scheitlin, Peter (1838): Vorlesungen. St. Gallen, S.174

Apfel-Eis
Rezept aus: "Neues auf vieljährige Erfahrung gegründetes Kochbuch", 1840 (8)
Man schälet einen guten Theil Reinette-Äpfel [z.B. Graue Renetten!], kocht selbige mit Wein zu einem steifen Brei, reibt diesen dann durch ein Sieb und vermischt ihn mit 1 Pfund geläutertem Zucker, und der abgeriebenen Schale einer Zitrone. Man giebt die Masse in eine Gefrier-Büchse und läßt sie frieren.
(8) Armster, Sophie (1840). Neues auf vieljährige Erfahrung gegründetes Kochbuch. Stade, S.434

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