Nutzpflanzen in historischen Gärten


Rhabarber

(Rheum rhabarbarum L.)

"In Deutschland, wo der Rhabarberbau erst seit zwanzig Jahren [erfolgt], ist der Verbrauch im Vergleich zu England und Frankreich noch gering, gewinnt aber von Jahr zu Jahr an Ausdehnung, je mehr die Erkenntnis von den Vorzügen dieser Gemüsepflanze verbreitet wird." [1] Dies schreibt der Fachschriftsteller Schneider im Jahr 1908 und spricht damit wichtige Fakten an. Beim Rhabarber (Rheum rhabarbarum) handelt es sich um eine Gemüsepflanze, welche Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland noch weitgehend unbekannt war: "Der Hauptgrund liegt darin, dass unsere deutschen Hausfrauen die Verwertung dieses schätzbaren Gemüses nicht kennen und mitunter verwundert fragen, was sie mit den dicken fleischigen Blattstielen des Rhabarbers anfangen sollen." [2]

Die anspruchslose Nutzpflanze wurde in Europa verhältnismäßig spät kultiviert. So gelangte der Rhabarber im 18. Jahrhundert von Frankreich über die Niederlande nach England, wo man 1753 mit der Rhabarbertreiberei begann. [3] In Deutschland setzte die gewerbliche Nutzung erst gut einhundert Jahre später ein, wobei Norddeutschland und da speziell die Vierlande zunächst als wichtigstes Anbaugebiet fungierte. Die Gründe lagen hier sowohl in der Nähe zur Großstadt Hamburg, die über viele potentielle Abnehmer verfügte als auch in den kurzen Transportwegen per Schifffahrt über die Elbarme. [4]

In Asien hingegen, wo der Rhabarber (Rheum palmatum) beheimatet ist, war die Pflanze weitaus früher bekannt: Die Wurzelstöcke des Medizinalrhabarber setzte man hier bereits vor 5000 Jahren als Medikament ein. [5] Zedler verweist 1742 auf die Wirkung der Rhabarber-Wurzel: "Der Hauptnutzen der Rhabarber ist, dass sie abführet und reinigt; Sie purgieret nicht zu starck, und hält dabey auch nicht zu stark an." [6]

Die ursprünglich medizinische Verwendung hielt viele von der Verwendung des Gemüses ab, so dass Muth 1891 [2] sich zum Ziel setze, den in England und Amerika bereits »gangbaren Artikel« durch eine Mitteilung über "Anzucht und Landkultur, die Treiberei und die Verwertung des Rhabarbers eingehend [zu] besprechen" und den Menschen anhand der Schilderung verschiedener Zubereitungsmöglichkeiten schmackhaft zu machen und dazu beizutragen, "dass sich die Rhabarberkultur in Deutschland immermehr ausbreite." [2].

Der eindrückliche und schmückende Habitus der Pflanze bestimmt sich über die großen, am Grunde drei- und mehrlappigen Blätter sowie die bis 70cm langen Blattstiele, die sortenabhängig durch den Pflanzenfarbstoff Anthocyan mehr oder weniger rot gefärbt werden. Da die Blätter entsprechende Giftstoffe enthalten, kann deren Verzehr zu Erbrechen und Kreislaufstörungen führen. Für die Ernährung haben infolge dessen vornehmlich die Blattstiele – klein geschnitten, gekocht und zu Kompott, Marmeladen, Saft sowie Süßspeisen verarbeitet – Bedeutung.

Die Vermehrung kann einerseits generativ über Saatgut andererseits durch Teilung der Pflanzen erfolgen. Erstere Variante ist zwar grundsätzlich möglich, aber nicht gebräuchlich, da teilweise minderwertige Pflanzen entstehen. Die vegetative Vermehrung erfolgt durch Rhizomteilung von zwei- bis dreijährigen Mutterpflanzen, die sich maschinell ernten lassen. Rhabarber lässt sich vom Frühjahr bis zum Herbst pflanzen, wobei Herbstpflanzungen meist bevorzugt werden. Die ausdauernde Pflanze überwintert mit ihrem stark verdickten, unregelmäßig geformten Rhizom, um dann aus den unterirdischen Knospen im zeitigen Frühjahr wieder auszutreiben. [3]
"Sind im Frühjahr die Blattstiele lang und stark genug, so können dieselben abgebrochen […] werden." Die Ernte erfolgt bis "Johanni (24.Juni). Später ist die Saison vorbei, die Stiele sind dann nicht mehr so zart und wohlschmeckend." Es ist allerdings zu beachten: "Alle Blattstiele dürfen nicht auf einmal weggebrochen werden, ein Drittel muss immer bleiben, damit die Pflanze nicht zu sehr geschwächt wird." [2]

Die Skepsis des ausgehenden 19. Jahrhunderts ist einer häufigen und variablen Verarbeitung des Rhabarbers gewichen. Und sollte man sich zur Erntezeit im Urlaub befinden und Appetit auf Rhabarber verspüren, so macht uns der weitgehend einheitliche Wortstamm den Kauf der Pflanzenstiele auch im Ausland leicht: Im Englischen wird der Rhabarber "rhubarb" genannt, in Frankreich bezeichnet man ihn mit "rhubarbe", die Italiener nennen ihn "rabarbaro" und in der spanischen Sprache heißt er "ruibarbo".

Linda Großkopf


[1] Landauer, Robert (Hrsg./ Obstgut Gesundbrunnen bei Würzburg): Das Tomatenbuch – Anleitung zum Anbau und zur Verwendung der Tomate und des Rhabarbers, 1908.
[2] Muth, L.A.: Die Kultur, Treiberei und Verwertung des Rhabarber, In: Allgemeine Deutsche Gärtnerzeitung, 1891, S. 120/ 136-137.
[3] Vogel, Georg: Handbuch des speziellen Gemüsebaues, Stuttgart 1996, S. 841-851.
[4] Hinrichsen, Torkhild: Rhabarber, Rhabarber!, Husum 2003.
[5] Rauh, Werner: Morphologie der Nutzpflanzen, Heidelberg/ Wiesbaden 1950.
[6] Zedler, Johann Heinrich: Universal-Lexicon, 3. Band, 1742


Rhabarbersorbet

150 g gekochter, pürierter Rhabarber,
50 g Zucker, 13 g Traubenzucker, 1,5 g Pektin,
1/2 Bund Eisenkraut oder Waldmeister,
10 ml Himbeerlikör

Zucker mit Pektin mischen, mit 100 g Wasser, Himbeerlikör, Traubenzucker und Rhabarberpüree kochen. Eisenkraut zugeben, alles 10 Minuten ziehen lassen, passieren und in der Sorbetiere frieren.

Wer den Teig mit Backerbsen oder trockenen Hülsenfrüchten belegt, um ihn vorzubacken, sollte keinesfalls vergessen, Backpapier zwischen Füllgut und Teig zu legen – sonst hat er danach nicht wenig Mühe, Backerbsen (noch schwieriger: Linsen!) und Teig wieder zu trennen.

Quelle: Zeitmagazin (Die Zeit), 20.04.2011

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