Nutzpflanzen in historischen Gärten


Waldmeister

(Galium odoratum; Asperula odorata)

Waldmeister ist dank seiner wackeligen Puddingvariante heutzutage bereits jedem Kind bekannt. Auch den Erwachsenen mundet er in so bekannten Formen wie der Waldmeisterbowle (die bereits seit dem 16. Jahrhundert gerne zu den 1. Mai Festivitäten genossen wird) oder der „Berliner Weiße“ in der er als Mixgetränk zusammen mit einem obergärigen Weizenbier gereicht wird. [1]

Bis heute wird Waldmeister in zwei verschiedene Pflanzengattungen Asperula und Galium eingeordnet. Zum ersten Mal wurde Waldmeister Mitte des 18. Jahrhunderts durch Carl von Linné (1707-1778) in seinem Werk „Species Plantarum“ als eigenständige Art anerkannt. Doch Linné ordnete Waldmeister zunächst der Gattung „Meier (und Meister; bot. Asperula)“ zu, so benannte er ihn als Asperula odorata. [2] Der erste Botaniker, der Waldmeister schließlich unter seiner heute gebräuchlichen Nomenklatur benannte, war Giovanni Antonio Scopoli (1723-1788). Dieser bezeichnet erstmalig in seinem Werk „Flora Carnicolica“ (von 1772) Waldmeister als Galium odoratum. [3]

Aus botanischer Sicht wird Waldmeister zu den Staudengewächsen gezählt. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Europa über Sibirien bis nach Nord- und Westasien. [4] Er bevorzugt halbschattige Standorte unter Laubbäumen und ist ein wichtiges Mitglied der Flora von Buchenwäldern. Mit einer Wuchshöhe von 5 bis maximal 25 cm gehört Waldmeister zu den eher niedrigen Pflanzen im Wald. Er bildet vierkantige Stängel aus, an denen in regelmäßigen Abständen sechs- bis achtblättrige Blattquirle wachsen. Die Blätter an den Quirlen sind schmal-lanzettlich, spitz zulaufend und duften intensiv nach dem bekannten „Waldmeisterduft“. [5] Die Blütezeit der Waldmeisterstaude erstreckt sich von April bis in den Mai. Die Pflanze bildet dabei endständig weiße, durch vier Spalten geteilte, trichterförmige bis zu sieben Millimeter große Blüten aus, die in Gruppen von drei bis neun Blüten in Scheindolden zusammenwachsen. [6]

Aufgrund seiner Eigenschaft, Ausläufer zu bilden, lässt sich Waldmeister sehr gut über Teilung vermehren. Hierzu werden die neuen Jungpflanzen von der Mutterpflanze an der Wurzel abgestochen. Eine weitere Möglichkeit zur Vermehrung ist die Aussaat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Samen des Waldmeisters zur Induktion der Keimung eine Kälteperiode benötigt. Eine gute Möglichkeit stellt in diesem Zusammenhang die Selbstaussaat dar. Hierzu werden die Samen nicht von der Pflanze abgesammelt sondern man lässt sie sich frei verteilen. Im Herbst wird zum Schutz des Saatguts der Bereich um die Pflanze mit Mulch abgedeckt. Im Frühjahr keimen die neuen Jungpflanzen schließlich um die Mutterpflanze. [5]

Bei der Herstellung von Lebensmitteln aus Waldmeister sollte darauf geachtet werden, die Pflanze vor ihrer Blüte zu ernten, da zu diesem Zeitpunkt der Gehalt des giftigen Cumarins in der Pflanze am geringsten ist. Cumarin kann in zu hohen Dosen zu Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Leberschäden führen. Seit 1974 ist daher die Verwendung von Waldmeister in Produkten, die hauptsächlich von Kindern konsumiert werden, wie Limonade oder Süßwaren, verboten. Bei der Herstellung weiterer Lebensmittel wie beispielsweise Maibowle und von Aromastoffen wurde der Anteil des Waldmeisters begrenzt. Cumarin ist jedoch für den bekannten Waldmeisterduft verantwortlich, daher sollte mit der Gewinnung des Duftstoffes möglichst erst mit dem Erscheinen der Blüte begonnen werden. Der Duft von Waldmeister gilt als Mottenbekämpfungsmittel. [1]

Der Nutzen des Waldmeisters als Arznei wurde in der Vergangenheit als eher gering angesehen. In der „Anleitung zur Kenntnis der Arzneimittel“ von 1785 wird seine Wirkung zwar als „eröffnend“ beschrieben, im selben Satz jedoch auch darauf hingewiesen, dass er selten in der „Arzneikunst“ gebraucht würde. [7] Auch im „Handbuch der Materia Medica“ von 1827 wird er als „wenig gebräuchlich“ beschrieben. [8]

Erst heute scheint das Bewusstsein für die arzneitechnische Nutzung des Waldmeisters, trotz oder gerade wegen des Cumaringehalts, gestiegen zu sein. So wirkt das giftige Cumarin in geringerer Dosierung leicht beruhigend und harntreibend, es gilt als den Geist anregend und somit depressionsmindernd. Auch wird aus der Pflanze ein Tee gekocht, dem eine schlaffördernde, migränehemmende und Menstruationsbeschwerden verringernde Wirkung nachgesagt werden. [5]

Nicht nur auf Grund seines bekannten Geschmacks und Duftes sondern auch wegen seiner Wirkung als Arzneimittel kann Waldmeister somit zu den bedeutenden Pflanzen unserer heimischen Waldflora gezählt werden. Wenn man jedoch keine Kopfschmerzen haben möchte, sollte man bei seinem Konsum das richtige Maß nicht aus den Augen verlieren.

Julian Jäckel


Verwendete Literatur:

[1] Wikipedia.de (2015): Waldmeister, http://de.wikipedia.org/wiki/Waldmeister (Stand: 31.03.2015)
[2] Linné, Carl von (1753): Species Plantarum, Stockholm,
S. 103
[3] Scopoli, Giovanni Antonio (1772): Flora Carniolica, Wien,
S. 105f
[4] Erhardt, Walter; Götz, Erich; Bödeker, Nils u. Seybold, Siegmund (2008): Der große Zander – Enzyklopädie der Pflanzennamen, Bd. 2, Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart, S. 1427
[5] Kötter, Engelbert (2009): Das große GUP Praxis Handbuch Kräuter, Gräfe Und Unzer Verlag, S. 151
[6] Thomé, Otto Wilhelm (1905): Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz, Bd. 4, Friedrich von Zezwitsch Verlag, Gera, S. 223f
[7] Spielmann, Jacob Reinhold (1785): Anleitung zur Kenntnis der Arzneimittel zu Akademischen Vorlesungen eingerichtet, Straßburg, S. 464
[8] Edwards, H. Milne u. Barasseur, P. (1827): Handbuch der Materia Medica oder kurze Beschreibung der Arzneimittel, Weimar, S. 127


Abbildungen:

1) Thomé, 1905
2) Wagner, 1871
3 und 4) Julian Jäckel, 2015


Rezept:

Maiwein:

Möglichst junger Waldmeister (in den Monaten April und Mai) vor der Blüte wird sorgfältig ausgesucht, die unteren Blätter und die unteren Teile der Stiele entfernt und, wenn man ihn nicht selbst gepflückt, unmittelbar vor dem Gebrauch rasch in Wasser abgespült, in eine Bowle gelegt, in welcher vorher Zucker, per Flasche 70-90 Gr., mit ein wenig Wasser aufgelöst ist, und dann so viel Mosel- oder Rheinwein hinzugegeben, als man Maiwein zu haben wünscht. Nach etwa ½ Stunde müssen die reichlich verwandten Maikräuter aus der Bowle entfernt werden, da der Maiwein sonst zu stark danach schmecken würde. Man kann, wenn es geliebt wird, der Länge nach in kleine Stücke zerteilte Apfelsinen ohne Kerne in die Bowle geben.
Einige Tage hält sich der Maiwein in Flaschen gefüllt, wobei jedoch sorgfältig darauf zu achten ist, daß auch nicht das kleinste Stück Waldmeister mit in die Flasche kommt.

(aus: Davidis, Henriette (1881): Praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche. Zuverlässige und selbstgeprüfte Rezepte zur Bereitung der verschiedenartigsten Speisen und Getränke, zum Einmachen und eine Hinweisung auf schnell zu machende Speisen, Verlag von Belhagen & Klasing, Bielefeld und Leipzig, S. 602)

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