Nutzpflanzen in historischen Gärten


Die Zwetschge

(Zwetsche, Zwetschke, Quetsche u.v.a.)

Pflaumen heißen in Süddeutschland Zwetschgen, diese Meinung scheint verbreitet. Die Zwetschgen gehören auch im weiteren Sinne zu den Pflaumen. Doch längst nicht jede Pflaume ist auch eine Zwetschge. Das deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm (ab 1838) bringt etwas Licht in den Sachverhalt:
Zwetsch[g]e, f. , Prunus domestica L., die verbreitetste unserer Pflaumenarten, mit länglichen Früchten und flachen Kernen; im Unterschied zu den verschiedenen rundlichen Pflaumen mit dicken, runden Kernen. - Zwetsch[g]e ist in der Umgangssprache nicht gleichmäßig verbreitet; im Nordosten und auch in Teilen des Westens werden alle Sorten als Pflaume bezeichnet."(1)

Die Europäische Pflaume, Prunus domestica, ist keine einheitliche Art, sondern eine Hybride. Vermutlich ist sie der Artbastard aus der heimischen Schlehe (Prunus spinosa und der Myrobalane (Prunus cerasifera), die vom Balkan bis nach Klein- und Mittelasien vorkommt.(2)
Genetisch ist die ganze Angelegenheit recht kompliziert, da sich viele Prunus-Arten untereinander leicht kreuzen lassen. So waren sicherlich noch andere Arten wie z.B. Prunus insititia (Haferpflaume) an der Entstehung der verschiedenen Pflaumensorten beteiligt. Der hexaploide Chromosomensatz (6-fach) der Pflaume führt zudem dazu, dass sich die Nachkommen stark von den Elternsorten unterscheiden können. Aus der Kreuzung zweier Zwetschgen kann beispielsweise eine grüne Pflaume hervorgehen.

Pflaumenartige Gewächse wurden bereits im 7. Jahrhundert vor Christus in Griechenland kultiviert, der Philosoph und Naturforscher Theophrast (371-287 v.Chr.) berichtet von drei Sorten.(3) Von Griechenland kam die Pflaume nach Rom, Plinius der Ältere (ca. 23–79 n. Chr. zählte bereits 30 verschiedene Sorten auf.(4) Die Römer schließlich verbreiteten die Pflaume auch in Deutschland. Bei Ausgrabungen in Saalburg/Taunus wurden neben Fruchtsteinen von Wildpflaumen auch derer von Zwetschgen aus dem 2. Jahrhundert nach Chr. gefunden.(5) Karl der Große kannte um das Jahr 800 mehrere Arten oder Sorten ("prunarios diversi generis") und förderte deren Anbau.(6)
Das Wort Zwetschge leitet sich möglicherweise von den sogenannten Damaszenerpflaumen ab. In Damaskus wird der Ursprung der Pflaumenkultur vermutet. Der Begriff taucht im Süddeutschen Raum im Jahre 1579 bei Theophilus Golius auf: "Pruna damascena-Zwetzschken".(7) Auch Camerarius der Jüngere fasst 1590 Damaszenerpflaumen und Zwetschgen als eine Klasse zusammen.(8) Dies ist umso erstaunlicher, da die verschiedenen Sorten der Damaszenerpflaume meist wenig Ähnlichkeit mit Zwetschgen zeigen.
Der Pomologe Georg Liegel (1777-1862), der eine der größten Pflaumensammlungen seiner Zeit in Braunau hatte, unterschied genau zwischen den beiden letztgenannten:
"Lange Früchte nenne ich Zwetschen, runde Früchte Damaszenen, indem diese Benennungen im Allgemeinen dem bestehenden Sprachgebrauche anpassen, und in alten und neuen pomologischen Schriften gegründet sind."(9)
Doch auch heute fällt eine klare Gliederung innerhalb der Pflaumen und Zwetschgen den Botanikern schwer. Neben Wildpflaumen der Subspezies Insistitia unterscheidet Röder 1939 zwischen Rundpflaumen der Subspezies Italica und den Zwetschgen als Subspezies Oeconomica. Aber auch die Schreibweise Prunus domestica subsp. domestica ist verbreitet. Neuere Forschungen zu diesem Thema kommen allerdings zu dem Ergebnis, dass die "genannte Einteilung der Art Prunus domestica in drei Unterarten nicht gerechtfertigt ist."(10) Für die Praktiker haben spitzfindige genetische Betrachtungen weniger Bedeutung. Ähnlich wie der Pomologe seine Äpfel nach wie vor als Kalville, Renetten usw. begreift, ist auch eine Einteilung der Pflaumen nach ihren praktischen Eigenschaften sinnvoll.

Die Zwetschge ist in Deutschland auch heute noch die verbreitetste Form von Prunus domestica. Sie wird selbstverständlich auch in Gebieten angebaut, wo vereinfachend von Pflaumen gesprochen wird. Diese Sprachpraxis ist aber einschränkend und verwirrend. Denn es gibt einen eindeutigen Unterschied: Die "echten" Pflaumen "laufen" beim Backen, da das Fruchtfleisch durch das Erhitzen den Saft freigibt. Nur die Zwetschgen bleiben auch bei höheren Backtemperaturen stabil, sie laufen nicht und eignen sich daher für Kuchenbeläge. Ein "Pflaumenkuchen" wird daher stets ein Zwetschgenkuchen (z.B. Zwetschgendatschi, Zwetschkenfleck, Quetschekuche) sein.

Morphologische Unterschiede zwischen Pflaumen und Zwetschgen sind dagegen nicht eindeutig. Pflaumen reichen in ihrer Farbe von dunkelrot bis blauschwarz, können aber auch rötlich sein. In der Form sind sie meist relativ groß und kugelig, oft mit einer auffälligen "Bauchnaht". Ihr Fruchtfleisch ist weich, saftig und wirkt oft süßlich, obwohl der Zuckergehalt meist relativ niedrig ist. Wenig Säure führt dazu, dass manche Pflaumen etwas fad schmecken. Der eher rundliche Stein löst in der Regel schlecht vom weichen Fruchtfleisch. Sie eignen sich daher fast ausschließlich für den Frischverzehr oder für Mus. Grüne, gelbe und rosafarbige Pflaumen fasst man unter dem Namen Reneklode (Reineclaude, Reneclode, Ringlotte oder Ringlo u.s.w.) zusammen. Mirabellen, die ebenfalls gelb bis orange gefärbt sind, sind klein, süß und aromatisch.

Zwetschgen sind meist länglich geformt, haben oft auch einen länglich ovalen Stein, der im reifen Zustand leicht vom Fruchtfleisch löst. Die Früchte sind in Vollreife blau-violett gefärbt und vielfach hellblau bereift. Es gibt aber auch rötliche und gelbe Sorten. Zwetschgen schmecken süß, abgerundet durch eine feine Fruchtsäure und sind meist angenehm gewürzt. Geschmacklich wird die Zwetschge höher geschätzt als die Pflaume.
All diese sind aber keine klaren Unterscheidungsmerkmale. Manche Sorten weichen von den typischen Eigenschaften ab. So gibt es auch rundliche Zwetschgen, längliche Pflaumen und vieles andere. Daher werden manche Sorten auch als "Halbzwetschgen" bezeichnet, die in ihren Eigenschaften wohl zwischen Zwetschgen und Pflaumen einzuordnen sind.

Die großen, runden, blassvioletten Pflaumen, die man immer häufiger in unseren Supermärkten findet, gehören übrigens zur Gattung Prunus salicina und dürfen mit den hier beschriebenen Pflaumen nicht verwechselt werden.

Zwetschgen wachsen normalerweise baumartig und werden heute in der Kultur auf verschiedene Unterlagen veredelt. Auf Myrobalane (Prunus cerasifera) erhält man größere, kräftigere Bäume. Auf vegetativen Unterlagen wie z.B. der St. Julien, die der Haferpflaume (Prunus insititia) zuzuordnen ist, ergeben sich mittelstarke Bäume. Zwetschgensämlinge oder wurzelechte Exemplare können sich aber aufgrund ihrer Ausläuferbildung zu Hecken oder undurchdringlichen Gebüschen entwickeln.

In den Streuobstwiesen und in vielen Gärten ist heute noch die "Deutsche Hauszwetschge" verbreitet. Diese qualitativ sehr hochwertige Sorte ist mindestens seit dem 17. Jahrhundert in Deutschland verbreitet, wobei Fruchtsteine mit ganz ähnlichem Aussehen bei Ausgrabungen in Aalen gefunden wurden, die aus dem 2. -3. Jahrhundert stammen sollen.(11) Dies beweist, dass Zwetschgen zu den ganz alten Pflaumensorten zählen. Die Hauszwetschge ist nicht einheitlich, es existieren verschiedene Typen, die sich in Fruchtgröße und Reifezeit unterscheiden. Speziell die frühreifenden Typen eignen sich sehr gut auch für Höhenlagen bis über 1000m. Allerdings kann die Hauszwetschge nicht mehr uneingeschränkt empfohlen werden. Sie ist sehr empfindlich auf die weitverbreitete Scharka-Krankheit, einer Virose, die auch die Früchte befällt und nicht bekämpfbar ist.(12) Ein Anbau gelingt daher nur in scharkafreien Gebieten.

Eine interessante alte Sorte ist auch die "Dattelzwetschge", die man noch vereinzelt in alten Obstwiesen findet. Eine erste Abbildung von ihr findet sich in der "Pomona Franconica" des Johann Prokop Mayer aus dem Jahre 1776. Die Frucht ist besonders länglich und schmal, leicht gebogen wie ein Säbel. Mayer schätzte diese Frühsorte: "Das Fleisch ist goldgelb, vest [fest], süß, von reizendem Geschmack, und löset sich vom Stein ab. Diese unter die guten Früchte zu rechnende Pflaume reifet schon in der Mitte des Julius."(13)
Die meisten, heute noch existierenden, alten Sorten stammen aber aus dem 19. Jahrhundert. Zwetschgen wurden nicht immer veredelt, sondern oft wurzelvermehrt, wie die beiden vorgenannten Sorten. Aber auch die Aussaat war eine praktizierte Methode, die viele Zufallssämlinge lieferte wie die bekannte Bühler Frühzwetschge oder die exzellente "Italienische Zwetschge", auch "Fellenberg" genannt.

Michael Degle


Verwendete Literatur:
(1) Grimm, Jacob und Wilhelm: Deutsches Wörterbuch, 16 Bde. in 32 Teilbänden, Leipzig 1854-1961. Online-Version vom 26.08.2014.
(2) Hartman, Walter. und Fritz, Eckhart.: Farbatlas alte Obstsorten, Stuttgart 2008, S.12
(3) Liegel, Georg.: Systematische Anleitung zur Kenntniß der Pflaumen, Passau 1838 S.13
(4) Krünitz, Johann Georg: "Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft, in alphabetischer Ordnung", 1773 bis 1858. Verwendet wurde die "Oeconomische Encyclopädie online" der Universität Trier/Universitätsbibliothek: kruenitz1.uni-trier.de
(5) Störzer, Mechthild; Wolfram, Brigitte; Schuricht, Werner; Männel, Roland; Halwaß, Ernst: Steinobst, Radebeul 1992, S.28
(6) Karolus Magnus: Capitulare de villis, um 795, Kapitel LXX; Online-Ausgabe unter: http://www.hs-augsburg.de/~harsch/Chronologia/Lspost08/CarolusMagnus/kar_vill.html
(7) Grimm
(8) Liegel, S.67
(9) Liegel, S.69
(10) Neumüller, Michael: Die Hypersensibiltät der Europäischen Pflaume gegenüber dem Scharkavirus, Hohenheim 2005 S.2
(11) Hartman, Walter. und Fritz, Eckhart, S.283
(12) Neumüller S.27
(13) MAYER, Johann Prokop: Pomona Franconica. Band 1. Nürnberg 1776, S.137; Abbildung auf Tafel XI, Nr.17


Rezept:
Pfeffer-Zwetschgen

Die Zwetschgen entsteinen und vierteln. Frischen gemahlenen Pfeffer mit Zucker, Essig, Rotwein und einer Prise Salz in einem Topf zu einem Sirup kochen. Die Zwetschgenstücke dazugeben und wenige Minuten im Sirup garen. Heiß sind die Pfeffer-Zwetschgen ein Genuss zu Vanille-Eis, ansonsten abkühlen lassen und dann kalt genießen. In saubere Gläser mit Deckel abgefüllt etwa 2 Monate haltbar.

Zutaten für 4 Personen
400 g Zwetschgen
1 Tl schwarze Pfefferkörner
100 g Zucker
150 ml Rotwein nach Belieben
120 ml Rotweinessig
Prise Salz

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