Fenchel
(Foeniculum vulgare, historisch: Anethum foeniculum)
Der Fenchel ist die einzige Art der Gattung Foeniculum, die zur Familie der Doldenblütler (Apiaceae) gehört. Der Gattungsname Foeniculum ist vom lateinischen foenum (Heu) abgeleitet und deutet auf die beim Welken und Trocknen schmalen, heuartig aussehenden Blattzipfel hin. Zur Art gehören drei Varietäten. Die ursprüngliche Varietät, der Wilde oder Bitterfenchel (F. vulgare var. vulgare), wird als Arzneipflanze für medizinische Zwecke genutzt. Die Blätter und Früchte des Gewürz- oder Süßfenchels (F. vulgare var. dulce) dienen als Gewürz. Der Gemüse- oder Knollenfenchel (F. vulgare var. azoricum) wird als Gemüse in der Küche verwendet. [1]
Die Fenchelpflanze ist winterhart und mehrjährig, wird als Gemüse jedoch einjährig und zur Samengewinnung zweijährig angebaut. Seiner Herkunft entsprechend, benötigt Fenchel einen wärmebegünstigten Standort auf mäßig trockenem, nährstoff- und basenreichen Lehm- oder Lössboden. In Mitteleuropa verwildert die Pflanze gelegentlich auf Schuttplätzen und an Straßenrändern.
Der Fenchel ist eine der ältesten bekannten Heilpflanzen. Aus dem Mittelmeergebiet, seiner ursprünglichen Heimat, ist die vielseitige Nutzung der Pflanze als Heil-, Gewürz- und Gemüsepflanze bereits aus dem Altertum bekannt. Die alten Ägypter kannten und nutzten die Pflanze, bauten sie jedoch nicht an – die ältesten Berichte über die Verwendung des Fenchels als Gewürz stammen aus Mesopotamien um 3000 vor Christus. Griechen und Römer kultivierten die Pflanze, die Römer bauten sogar schon mehrere Sorten an. Auch den Arabern und Chinesen war die Pflanze bekannt.
Die alten Griechen kannten den Fenchel unter dem Namen marathon und empfahlen ihn stillenden Frauen als Tee, um die Milchbildung anzuregen. Der Name marathon soll sich von den wilden Fenchelvorkommen um den attischen Ort Marathon herleiten, wo der griechische Feldherr Miltiades in einer legendären Schlacht im Jahr 490 v. Chr. die Perser besiegte. Aus diesem Grund war der Fenchel bei den alten Griechen ein Symbol für Erfolg und Sieg. [2] Der Römer Plinius (23 – 79 n.Chr.) beschreibt die Wirkung der Pflanze unter dem Namen foeniculum. [3]
Die Römer verbreiteten den Fenchel bis an die Grenzen ihres Imperiums. So kam die Pflanze im Mittelalter nach Mitteleuropa, wo sie daraufhin in vielen Klostergärten angebaut wurde. In zahlreichen mittelalterlichen Kräuterbüchern werden der Fenchel und seine Wirksamkeit bei Verdauungsbeschwerden und Bronchialerkrankungen beschrieben. So zum Beispiel im Rezeptbuch De medicamentis liber des Marcellus Empiricus aus Bordeaux (4./5. Jh. n.Chr.), der ihn als Mittel gegen starken Husten empfiehlt. [4] Daneben bestanden zahlreiche Mythen und Aberglauben um die Wirkung des Fenchels. So glaubte man, dass die Pflanze gegen den Biss eines tollwütigen Hundes helfe.
Wegen seiner vielfältigen Nutzbarkeit schrieb Kaiser Karl der Große (747 o. 748 – 814 n. Chr.) den Anbau von Fenchel sogar in seiner um 800 n.Chr. erstellten Landgüterverordnung Capitulare de villis vel curtis imperii vor. In Kapitel 70 wird dort neben 72 weiteren Nutzpflanzen sowie 16 Obstbäumen, welche auf allen kaiserlichen Landgütern angepflanzt werden sollen, auch der Fenchel genannt. Auf dem zwischen 819 und 826 im Kloster Reichenau entstandenen Klosterplan von St. Gallen wird der Fenchel unter dem Namen fenuclum als Pflanze des Medizinischen Kräutergartens aufgeführt. [5] Der Reichenauer Abt Walahfrid Strabo (809 – 849 n. Chr.) besingt in seinem um 840 entstandenen Gedicht De cultura hortorum (Über den Gartenbau), auch bekannt als Hortulus und eines der bekanntesten botanischen Werke des Mittelalters neben 23 weiteren Heilpflanzen auch den Fenchel:
"Auch die Ehre des Fenchels sei hier nicht verschwiegen; er hebt sich/ Kräftig im Spross, und er strecket zur Seite die Arme der Zweige,/ Ziemlich süß von Geschmack und süßen Geruches desgleichen./ Nützen soll er den Augen, wenn Schatten sie trübend befallen,/ Und sein Same, mit Milch einer Mutterziege getrunken,/ Lockre, so sagt man, die Blähung des Magens und fördere lösend/ Alsbald den zaudernden Gang der lange verstopften Verdauung./ Ferner vertreibt die Wurzel des Fenchels, vermischt mit dem Weine,/ Trank des Lenaeus, und so genossen, den keuchenden Husten." [6]
Und auch die Äbtissin Hildegard von Bingen (1098 – 1179) beschreibt die vielseitigen positiven Eigenschaften des Fenchels:
„Fenchel schadet roh gegessen einem Menschen nicht. Wie immer man ihn genießt, macht er den Menschen fröhlich, gibt ihm eine schöne Farbe, einen angenehmen Geruch und gute Verdauung. Wer Fenchel oder dessen Frucht nüchtern täglich isst, dem mindert er böse Schleimstoffe und Fäulnisherde, vertilgt den üblen Geruch des Atems und macht seine Augen hell blinkend durch seine gute Wärme und edlen Kräfte…“
Auch später werden Anbau, Verwendung und Wirkung der verschiedenen Teile des Fenchels immer wieder beschrieben, so im Kreutter -Buch des Arztes und Botanikers Hieronymus Bock (1498 - 1554).[7] Bock beschreibt ausführlich die Anwendung des Fenchels - innerlich unter anderem bei Menstruationsbeschwerden, gegen Nieren- und Magenleiden sowie Husten, äußerlich wird die Anwendung von Fenchelwasser gegen trübe Augen empfohlen. Johann Sigismund Elsholtz (1623 – 1688), Medicus und Botaniker am Hofe des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, beschreibt in seinem Werk Vom Garten-Baw die Zubereitung des Fenchels als Gemüse sowie als Gewürz zum Einlegen von Gurken. [8] Und der schottische Botaniker John Claudius Loudon (1783 – 1843) empfiehlt in seiner Encyclopädie des Gartenwesens den Anbau von Fenchel im Küchengarten als Küchenkraut sowie als Gemüsepflanze. [9]
Verwendung des Fenchels in der Küche
Was den Fenchel seit alters her zu einer so vielseitig verwendbaren und heute weltweit angebauten Pflanze macht, ist zum einen das enthaltene ätherische Öl Oleum Foeniculi, verantwortlich für den anisartigen Geschmack, sowie die besondere Mischung aus Mineralien (Calcium, Kalium, Phosphor und Eisen), Vitaminen (Provitamin A, B1, B2, B12, C und E), Zucker, Stärke und Eiweiß.
Alle Teile des Fenchels sind essbar. Besonders die Knollen eignen sich hervorragend als Gemüse, welches traditionell als Beilage zu Fischgerichten gegessen wird. Auch als Salat, gebraten oder mit Käse überbacken lassen sich die Knollen zubereiten.
Im Mittelmeerraum wird der Gemüsefenchel viel häufiger als bei uns verwendet, meist als Zutat in Aufläufen und im Risotto oder als Antipasti. Sogar der Pollen des Fenchels gilt dort als exklusives Gewürz, welches aufgrund der aufwändigen Produktion und der geringen Erträge jedoch vergleichsweise teuer ist. Fenchelpollen wird auch als „Gewürz der Engel“ bezeichnet.
Das Fenchelgrün wird in der Küche zum Würzen von Suppen, Salaten und Mayonnaisen genutzt. Die Samenkörner finden neben der Zubereitung von Tee auch als Gewürz Verwendung, beispielsweise beim Backen von Schwarzbrot. Das aus dem ätherischen Öl des Süß- und Bitterfenchels gewonnene Anethol dient der geschmacklichen Verfeinerung von Anisschnäpsen wie Ouzo oder Absinth.
Medizin
In der Medizin werden die getrockneten Früchte des Süß- und Bitterfenchels sowie das daraus gewonnene Öl Foeniculi aetheroleum (syn. Oleum Foeniculi) verwendet. Die Öle der beiden Unterarten unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung stark. Hauptbestandteil ist jeweils das Anethol, wobei das Öl des Süßfenchels mit etwa 80% sehr viel mehr dieses Wirkstoffes enthält als das Bitterfenchelöl (55-75%). Das Bitterfenchelöl enthält zudem Fenchon, welches im Öl des Süßfenchels kaum vorkommt.
Die krampflösende und entzündungshemmende Wirkung von Fenchelpräparaten ist hauptsächlich dem Wirkstoff Anethol zuzuschreiben, der daneben auch verdauungsfördernd, karminativ (blähungstreibend) und schleimlösend wirkt.
Fenchon wirkt antibakteriell und entzündungshemmend. Auf Grund seiner wachstumshemmenden Wirkung auf Bakterien und Pilze findet es u.a. Anwendung als Bestandteil von Pflanzenschutzmitteln (Fungiziden). Außerdem besitzt es auf den menschlichen Organismus eine anregende Wirkung, weswegen es in früheren Kulturen auch als Aphrodisiakum diente.
Sowohl Fenchon als auch Anethol können bei Überdosierung toxisch wirken.
Anwendungsformen: Die Fenchelsamen sind zusammen mit Anis und Kümmel Bestandteil von verdauungsfördernden, beruhigenden Teemischungen. Traditionell findet Fencheltee bei Säuglingen mit Verdauungsproblemen Verwendung als Beruhigungsmittel. Bei stillenden Müttern ist Fenchelsamen bekannt wegen seiner milchtreibenden Wirkung. Neben Pfefferminz- und Kamillentee gehört der Fencheltee zu den meistgeschätzten Kräutertees.
Das Fenchelöl wird aufgrund seiner antibakteriellen und schleimlösenden Eigenschaften zum Beispiel in Form von Fenchelhonig als traditionelles Hausmittel bei Erkältungen gegen chronischen Husten und Atemwegskatarrh eingesetzt. Vor allem im Mittelalter aber auch in der heutigen Volksmedizin wird Fenchelöl auch äußerlich bei Augenekzemen und Konjunktivitis (Bindehautentzündung) eingesetzt.
Jana Hoschka
Verwendete Literatur:
[1] Buch, Corinne: Pflanzenporträt: Foeniculum vulgare – Fenchel, Arzneipflanze des Jahres 2009 und Ferula communis – Riesenfenchel (Apiaceae); In: Jahrbuch des Bochumer Botanischen Vereins für das Jahr 2009 Bd. 1, S. 223-226, Bochum 2010.
[2] Freundeskreis Botanischer Garten Aachen e.V. unter biozac.de www.biozac.de
[3] Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen unter spektrum.de www.spektrum.de
[4] Urbanovsky, Claudia: Der wunderbare Garten der Druiden. Bd. III – Die Apotheke der Kelten. neobooks Self-Publishing 2015.
[5] stgallplan.org: www.stgallplan.org
[6] uni-due.de: www.uni-due.de/collcart/hortus/strabo/d-foeni.htm
[7] Bock, Hieronymus: Kreutterbuch - darinn underscheidt, Namen und Würckung der Kreutter, Stauden, Hecken unnd Beumen, ... ", Straßburg 1539.
[8] Elsholtz, Johann Sigismund: Vom Garten-Baw, Cölln an der Spree 1666.
[9] Loudon, John Claudius: Eine Encyclopädie des Gartenwesens, London 1822, deutsche Übersetzung Weimar 1826.
Abbildungen:
1-5) Manfred Handke, 2015
6) Jost Albert, 2006