Nutzpflanzen in historischen Gärten


Die Kartoffel

(Solanum tuberosum L.)

Als vor über 480 Jahren die Spanier unter Francisco PIZZARO längs der Küste Südamerikas bis zu den Anden vordrangen und die Kartoffel dort als Hauptnahrungsmittel der Indianer vorfanden, war nicht absehbar, dass diese Frucht einmal eine so große Bedeutung zumindest in Europa erlangen sollte. Schon bald nach 1550 gelangte die Kartoffel durch die Spanier auf die Iberische Halbinsel und von dort nach Burgund. 1564 soll sie von Barfüßermönchen nach Italien eingeführt worden sein und von dort aus lernte man die Kartoffel auch in Deutschland kennen (1) ohne das sie größere Beachtung in Spanien, Italien und Deutschland erlangte. Sie wurde zuerst als Zier- und Heilpflanze kultiviert. Angeblich hat PHILIPP II. von Spanien 1565 dem erkrankten Papst Pius IV. Kartoffeln als Heilmittel übersandt. Insofern verwundert es nicht, dass die älteste botanische Beschreibung bei Jacobus THEODORUS (1525 – ca.1590) genannt TABERNAEMONTANUS in seinem „Neuw Kreuterbuch“ (1) als ein Fachbuch für Ärzte und Apotheker zu finden ist. Zur selben Zeit existiert die Kartoffel in den botanischen Gärten von Wien, Nürnberg, Frankfurt/M. und Breslau als eine besondere Kuriosität (1). Es waren jedoch nicht nur botanische Gärten sondern auch viele Fürsten Sammler fremdländischer Pflanzen. Sehr bekannt darunter war WILHELM IV. von Hessen – Kassel (1567 – 1592) der in engen Kontakt mit CHARLES DE L’ECLUSE (CAROLUS CLUSIUS), dem Hofbotaniker Kaiser MAXIMILIANS II. in Wien stand und der in Kassel recht früh die Kartoffel gepflanzt haben muss, wie aus späteren Schriftverkehr hervorgeht (2).

Der Name Kartoffel leitet sich von italienischen „tartuffolo“ für Trüffel ab. Volkstümlich auch Erdapfel, Erd- oder Grundbirne, Grumbeere oder Knulle, je nach Region, gehört die Kartoffel in die Familie der Solanaceaen, der Nachtschattengewächse. Die botanische Bezeichnung Solanum tuberosum stammt von dem Schweizer Botaniker Caspar (Gaspard) BAUHIN (1560 – 1624), der als erster die binäre Nomenklatur schuf und zwischen Gattung und Art unterschied, wobei solanum, lat. solamen als Gattungsname für Trost oder solari für lindern steht und tuberosum, lat. tuberosus als Artname mit knollig zu übersetzen wäre (3).

Die Kartoffelpflanze hat wechselständige Blätter die unpaarig gefiedert und leicht bis stark behaart sind und trugdoldenförmige weiße, rosa bis blaue Blüten trägt. Bei der Kartoffel handelt es sich um eine Sproßmetamorphose, d.h. um sogenannte Sproßknollen und um keine Frucht im eigentlichen Sinne. Die Früchte erscheinen oberirdisch nach der Blüte als kleine, grüne, ungenießbare tomatenähnliche Beeren, deren Samen nur Verwendungsmittel für die Züchtung sind. Diese Beeren, wie überhaupt die grünen Pflanzenteile enthalten das Alkaloid Solanin, das ungenießbar bis giftig ist (4). Deshalb sollten die Kartoffeln, die durch Tageslichteinfluß grün geworden sind nicht mehr zur Nahrungszubereitung verwendet werden.

Weltweit gibt es ca. 5 000 Kartoffelsorten, die nach ihren Reifezeiten in frühe (90 – 110 Tage), in mittelfrühe (120 – 140 Tage) und in mittelfrüh bis späte (140 – 160 Tage) Sorten unterschieden werden. Kartoffeln besitzen einen hohen Nährwert, obwohl sie zu ca. 78% aus Wasser bestehen, zu 15% aus Kohlenhydrate in Form von Stärke und zu 2% aus Eiweiß, das anteilig zwar gering aber dafür sehr hochwertig ist. Der Rest besteht aus Ballaststoffen und Mineralien. Ferner ist die Kartoffel besonders reich an Vitamin B1, B2 und C. Die Kartoffeln finden heute als Nahrungs- und Futtermittel Verwendung, wobei ca. 60% der Ernte als Nahrungsmittel genutzt wird und damit zur Sicherstellung der Ernährung an oberster Stelle steht.

Das war keineswegs immer so und die Einführung als Volksnahrungsmittel zur Bekämpfung der Hungersnot erschien höchst problematisch, weil bei den Armen die Kenntnis und Bedeutung, letztlich die Akzeptanz fehlte. Von FRIEDRICH II. (1712 – 1787) von Preußen ist die List bekannt, die er anwendete um die Kartoffelknolle in seinem Königreich einzuführen. Während der großen Hungersnot 1740 ließ er in der Nähe Berlins Kartoffelfelder anlegen und von Soldaten bewachen mit dem Hintergedanken die menschliche Neugier zu wecken. Tatsächlich entwendeten die Bauern heimlich einige der königlichen Knollen um sie selbst anzubauen (5). Damit ging seine Rechnung auf. Ferner ist belegt, dass Friedrich II. per Weisung den Kartoffelanbau verordnete um sein Volk vor Hungersnot zu bewahren. Heute ist die Kartoffel nicht nur Volksnahrungsmittel sondern sie wird auch als ein Gegenstand von Kunst und Literatur betrachtet, wie beispielsweise das weltbekannte Gemälde von Vincent van Gogh „Die Kartoffelesser“ von 1885 (6) oder Max Liebermanns Ölbild „Kartoffelernte“ von 1875 (7) beweist. Selbst historische Postkarten greifen das Motiv auf und umrahmen die Karten mit Versen zur Kartoffel. Das Gedicht „Abschiedsworte an Pellka“ von Joachim Ringelnatz ergänzt den literarischen Teil der Geschichte zur Kartoffel.

Manfred Handke


Rezept: Kartoffeln alla Genovese
(aus: Silva – Kartoffelkochbuch, von Rene Simmen, Zürich 1986)

8 mittelgroße Kartoffeln
1 Bund Basilikum (oder halb Basilikum, halb Petersilie)
2-3 Knoblauchzehen
2 El Parmesan und/oder Sbrinz
2 El Pinienkerne
4 El (Oliven-) Öl
2 El Kartoffelwasser

Basilikum/Petersilie, Knoblauch und Pinienkerne fein hacken und mit dem Öl und Käse vermischen oder – noch besser – im Mörser zerstampfen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Die Kartoffeln würfeln und in Salzwasser garkochen. Etwas heißes Kartoffelwasser der Basilikumsauce unterrühren. Dann die Sauce mit den abgetropften, heißen Kartoffelwürfeln mischen. Mit Salat, eventuell mit Kalbs- oder Schweinsschnitzeln servieren.


Abschiedsworte an Pellka
Joachim Ringelnatz (1883 – 1934)

Jetzt schlägt deine schlimme Stunde,
Du Ungleichrunde,
Du Ausgekochte, du Zeitgeschälte,
Du Vielgequälte,
Du Gipfel meines Entzückens.
Jetzt kommt der Moment des Zerdrückens
Mit der Gabel! – Sei stark!
Ich will auch Butter und Salz und Quark
Oder Kümmel, auch Leberwurst in dich stampfen.
Mußt nicht so ängstlich dampfen.
Ich möchte dich doch noch einmal erfreun.
Soll ich Schnittlauch über dich streuen?
Oder ist dir nach Hering zumut?
Du bist ein so rührend junges Blut. –
Deshalb schmeckst du besonders gut.
Wenn das auch egoistisch klingt,
So tröste dich damit, du wundervolle
Pellka, dass du eine Edelknolle
Warst und dass dich ein Kenner verschlingt.

Gedicht entnommen aus der Zeitschrift „Landlust“; Sept./Okt. 2006


Literatur:
(1) BROCKHAUSENZYKLOPÄDIE, Bd. 9 (IL-KAS); S. 803. F.A. Brockhaus, Wiesbaden 1970
(2) Otto WEBER im Auftrag des Vereins für Heimatgeschichte e.V. Ober-Ramstadt, Rund um die Kartoffel, Zur Geschichte des Kartoffelanbaus im Odenwald, Ober-Ramstadt 1982
(3) SCHUBERT, R.; WAGNER ,G., Pflanzennamen und botanische Fachwörter, Leipzig, Radebeul 1975
(4) FROHNE, D.; PFÄNDER, H.J., Giftpflanzen. Ein Handbuch für Apotheker, Ärzte, Toxikologen und Biologen. Stuttgart 1997
(5) INTERNET unter: http://www.kartoffel-geschichte.de
(6) ARNHOLD, M., Vincent van Gogh – Werk und Wirkung. München 1995
(7) STAATL. MUSEEN PREUSSISCHER KULTURBESITZ; Katalog: Max Liebermann in seiner Zeit; Berlin 1979


Abbildungen:
Abb. 1) Die historische Abbildung der Kartoffelpflanze wurde aus dem Exemplar „Der Garten von Eichstätt“ von Basilius Besler aus dem Jahre 1613 entnommen und mit freundlicher Genehmigung der Universitätsbibliothek Eichstätt abgebildet.
Abb. 9) Kartoffelernte, Reprint des Ölgemäldes 'Das Angelusläuten' (L'Angelus) des französischen Malers Jean-François Millet von 1859 auf einer alten Ansichtskarte, Postkarte im Privatbesitz.
Abb. 10) alte Ansichtskarte, Privatbesitz.

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