Nutzpflanzen in historischen Gärten


Die Wald-Heidelbeere

(Vaccinium myrtillus)

"Heute haben wir von der Heidelbeere zu sprechen. Die Heidelbeere ist eine ganz bescheidene, unscheinbare Beerenfrucht, und dennoch ist ihr Nutzen groß, weil sie gar mannigfaltig gebraucht werden kann. Mitten in den Wäldern wachsen die Heidelbeeren echte Naturkinder, ohne andere Pflege, als die ihnen dir gütige Hand der Mutter Natur angedeihen läßt. Niemand kümmert sich eher um ihr anspruchsloses Dasein, als bis ihre saftigen Beeren durch das Grün des Waldes hervorleuchten. Man erntet sie, ohne sie gesäet und gepflegt zu haben." [1]

Die Rede ist von der heimischen Heidelbeere (Vaccinium myrtillus), welche der Gattung Heidelbeeren (Vaccinium) angehört und zu der Familie der Heidegewächse (Ericaceae) zählt. Auf keinen Fall darf sie dabei mit der Kulturheidelbeere verwechselt werden, die von der Amerikanischen Heidelbeere (Vaccinium corymbosum) abstammt und zu Hauf in unseren Supermärkten zu finden ist. Der große Unterschied der beiden Arten zeigt sich in der Größe der ausgebildeten Früchte und ihrer Färbeeigenschaft. Während sich die Kulturheidelbeere durch vergleichsweise große Beeren mit weißlichem Fruchtfleisch auszeichnet, erkennt man unsere heimische Wald-Heidelbeere an ihrem dunkelblau-schwarzen Inneren mit stark färbender Eigenschaft, welche auch beim Essen Lippen und Mund rot-blau färbt. Wegen dieser Färbeeigenschaft und ihres süß-säuerlichen, weinhaften Geschmackes verwendete man sie daher im 19. Jahrhundert auch „durch Zuthat von Heidelbeeren, Franzbranntwein und Zucker“ zur Aufwertung von „schlechten mitteldeutschen Weinen, welche in Farbe und Alkoholgehalt entfernte Aehnlichkeit mit Bordeaux- und Burgunderweinen“ erlangen. [2] Doch dies sind bei weitem nicht alle nennenswerten Eigenschaften der Beere.

"Im Besonderen bei der Heidelbeere kennen so viele nicht genügend den Werth dieses Waldobstes. Von allem Obste, welches man gekocht und mit Zucker genießt, ist die Heidelbeere eines der leichtest verdaulichen, daher für schwache Mägen eine wahre Arznei, namentlich für solche, welche kein anderes Obst vertragen. Schon deshalb sollte eine jede gute Hausfrau streben, daß sie wenigstens einiges an Heidelbeeren immer im Hause hätte." [1]

Neben ihrer wertvollen Inhaltsstoffe an Vitamin C und Mineralien, wie Eisen, Kalzium, Kalium und Magnesium zeichnen sich die Beeren durch einen hohen Ballaststoffgehalt aus, welcher bekanntermaßen einen förderlichen Effekt auf die Verdauung hat. Bereits ab dem Mittelalter war die Heilwirkung der Heidelbeeren bekannt und Mediziner beschrieben in Kräuterbüchern detailliert den Einsatz von Blättern und reifen Beeren zur Behandlung von Krankheiten. So wurden sowohl getrocknete Blätter als Tee aufgebrüht, als auch getrocknete Beeren zum Verzehr insbesondere gegen Durchfallerkrankungen gereicht. Den frischen Beeren hingegen wird eine leicht abführende Wirkung nachgesagt. Auch bei Zuckerkrankheit soll die Heidelbeere einen stabilisierenden Effekt haben. Schon früh waren deshalb unterschiedliche Methoden bekannt, die kleine Beere möglichst lange haltbar zu machen.

"Die Heidelbeeren können auf Papier im Ofen getrocknet werden, dürfen aber nur sehr mäßige Hitze haben, da sie leicht zu braten anfangen und dann allen Saft verlieren. Vor dem Kochen weicht man sie eine Nacht in Wasser, kocht sie in demselben und versüßt sie nach Geschmack. Eingesotten und noch heiß in Flaschen gefüllt, deren Korke man verpicht, halten sie sich in kalten Kellern lange Zeit. In Flaschen gefüllt, mit so viel Zucker, als nöthig ist, sie süß zu machen […] bleiben sie den frisch gekochten gleich." [2]

Natürlich lassen sich die leckeren Beeren auch hervorragend in der Küche zur Kuchen, Muffins, Pfannkuchen und Kompott verarbeiten oder einfach mit oder ohne Quark geniessen, um sich für die müßige Arbeit beim Pflücken zu entlohnen. Denn Blüten und reife Früchte stehen an einzelnen Stielen, sodass die druckempfindlichen Beeren jede für sich vorsichtig von Hand verlesen werden muss. In früherer Zeit hatte man daher ein spezielles Werkzeug zur Blaubeerernte, den sogenannten Heidelbeerkamm (Bild). Die Ernte kann ab Ende Juni bis in den September erfolgen.

Und noch ein Tipp für die Kultivierung im eigenen Garten: "Draußt vom Walde kommt sie her". Heidelbeersträucher bevorzugen sauren, nährstoffarmen sowie humosen, eher feuchten Boden und wachsen daher vorwiegend in Wäldern, Heide- und Moorlandschaften. Der Heidelbeerstrauch ist ein bis zu 60 cm hoher, immergrüner Kleinstrauch und wächst in großen, undurchdringlichen Gruppen. Ihre beständig kriechenden Wurzeln neigen zur starken Ausbreitung, sodass der Strauch durch das dichte Wurzelwerk und Geäst andere Arten weitestgehend verdrängt. Also Vorsicht bei der Pflanzung im eigenen Garten.

Lisa Caroline Heun



Rezept
Ein schneller Klassiker – Heidelbeerkompott mit saurer Sahne
(Illustriertes Haus- und Familien-Lexikon, Vierter Band Cafe - Königskerze, Leipzig, 1862, S.363)
Zutaten für 2 Personen:
300g Heidelbeeren
60 g Zucker
2 Eigelb
200g Saure Sahne
Die gelesenen und gewaschenen Beeren werden gekocht, mit Zucker versüßt und sogleich, nachdem man sie vom Feuer genommen, mit saurer Sahne, in die einige Eidotter gequirlt sind, verrührt.

Die frische Sommervariante – Zitronen-Heidelbeer-Muffins
Zutaten für 12 Muffins:
250g Heidelbeeren und 1 unbehandelte Zitrone
220g Mehl, 1 Prise Salz und 1 Teelöffel Backpulver
120g weiche Butter, 150g Zucker, 1 Päckchen Vanillinzucker und 2 Eier
150ml Buttermilch
100g weiße Konfitüre

1.) Backofen auf 180° Ober- und Unterhitze vorheizen. Muffinbackform mit Papierförmchen auskleiden.
2.) Blaubeeren verlesen und säubern, beiseite stellen.
3.) Mehl, Backpulver und Salz vermischen und ebenfalls beiseite stellen.
4.) Butter, Vanillinzucker und Zucker mit dem Mixer ca. 2 Minuten lang fluffig schlagen. Eier nach und nach hinzufügen und gerade so lange mixen, bis sie verschwunden sind. Zitronensaft und Zitronenschalenabrieb je nach Geschmack hinzufügen und kurz einmischen.
5.) Die Hälfte der Mehlmischung hinzumixen. Dann schluckweise die Buttermilch einrühren und letztlich die zweite Hälfte der Mehlmischung hinzugeben.
6.) 50 g weiße Konfitüre mit dem Messer klein hacken. 220g Blaubeeren kurz in 2 EL Mehl wälzen und zusammen mit der zerkleinerten Schokolade vorsichtig unter den Teig heben. Darauf achten die Blaubeeren nicht zu beschädigen! Den Teig anschießend gleichmäßig auf die Muffinförmchen verteilen.
7.) Im Backofen ca. 19-22 Minuten lang backen abhängig vom eigenen Backofen (Stäbchentest). Anschließend die Muffins kurz in der Form auskühlen lassen und schließlich auf einem Backgitter restlich Raumtemperatur annehmen lassen.
8.) Währenddessen die restliche Konfitüre über einem Wasserbad zum Schmelzen bringen. Die Muffins damit bestreichen und vor dem Trocknen schnell mit den restlichen Blaubeeren dekorieren.
9.) Dann heißt es nur noch: Schmecken lassen!



Verwendete Literatur:
[1] Bauernzeitung, 1864, Kapitel No. 3, S.14;
online: https://books.google.de/books?id=kjFAAAAAcAAJ&pg
[2] Illustriertes Haus- und Familien-Lexikon, Vierter Band Cafe - Königskerze, Leipzig, 1862, S.362 - 363; online: https://books.google.de/books?id=rqVmAAAAcAAJ&pg=PA363&dq=heidelbeere
[3] https://www.apotheken-umschau.de/heilpflanzen/heidelbeere
[4] https://www.blaubeere.net/
[5] D. Johann Georg Krünitz: "Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft, in alphabetischer Ordnung", 1773 bis 1758. Verwendet wurde die "Oeconomische Encyclopädie online" der Universität Trier/Universitätsbibliothek: http://kruenitz1.uni-trier.de



Abbildungen:
Abb. 1) Vaccinum myrtillus L., Zeichnung Amédée Masclef, in: Atlas des plantes de France, 1891
Abb. 2) Heidelbeerkamm, D. Johann Georg Krünitz: "Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft, in alphabetischer Ordnung", 1773 bis 1758, Abb. aus Artikel Heidel=Beere Fig. 1302. Online: http://kruenitz1.uni-trier.de
Abb. 3) Zitronen-Heidelbeer-Muffins, Foto Lisa Caroline Heun

Bildergalerie
Zum Öffnen bitte auf ein Bild klicken