Nutzpflanzen in historischen Gärten


Der Klatschmohn

(Papaver rhoeas L.)

Die Herkunft des Klatschmohns ist nicht eindeutig geklärt, vermutlich stammt er aus dem wärmeren Mittelmeerraum beziehungsweise aus Gebieten Eurasiens und Nordafrikas, in denen schon in der Jungsteinzeit Ackerbau betrieben wurde. Er gilt als typischer Kulturfolger und verbreitete sich über verunreinigtes Getreidesaatgut in der ganzen Welt. Auch bei uns sind seine bevorzugten Standorte Getreidefelder, oft in Gemeinschaft mit Kornblumen und anderen Ackerwildkräutern. Als Lichtkeimer ist der Klatschmohn ein typischer „Getreidebegleiter“, da er offene Flächen benötigt und daher auch als Pionierpflanze lockere, steinige Böden auf Brach- und Schuttflächen oder an Wegerändern besiedelt. In der intensivierten Landwirtschaft ist der Klatschmohn jedoch durch den Einsatz von Herbiziden stark zurückgegangen, so dass er oft nur noch in den weniger gespritzten Ackerrandfluren oder an Straßenböschungen und Bahndämmen wächst. Klatschmohn wurde von der Loki Schmidt Stiftung zur „Blume des Jahres 2017“ gewählt, um auf Gefährdung und Verlust von Ackerwildpflanzen aufmerksam zu machen.

Der Klatschmohn gehört zur Ordnung der Hahnenfußartigen und zur Familie der Mohngewächse. Die Blütezeit der ein- bis zweijährigen Pflanze dauert von Mai bis Juli, wobei jede einzelne Pflanze nur wenige Tage lang blüht. Die einzeln stehenden, leuchtend roten Blüten variieren in Größe und Farbintensität zuweilen stark. Sie sind aus vier zarten, wie knittriges Papier wirkenden Blütenblättern zusammengesetzt, die jeweils einen schwarzen Fleck im Blattgrund tragen. Charakteristisch ist auch die Kapselfrucht, die einige hundert sehr kleine Samen enthält und durch Scheidewände in Porenkapseln aufgeteilt ist, aus denen die Samen wie aus einer Streubüchse fallen. Der Botaniker und Naturphilosoph Raoul Heinrich Francé (1874-1943) entwickelte nach diesem Modell einen Salzstreuer und erhielt dafür das erste deutsche Patent für eine Erfindung aus dem Bereich der Bionik. Er vertrat die These, dass jeder Funktion eine bestimmte Gestaltung entspricht und sich daher viele technische Probleme durch die Übertragung von Vorbildern aus der Natur lösen lassen, wie er 1920 in seinem Buch „Die Pflanze als Erfinder“ darlegte. [6]

Als Zierpflanze wird der Klatschmohn in gefüllten Formen wohl schon genauso lange gezogen wie der verwandte Schlafmohn (Papaver somniferum L.). Bis heute hat er seinen Platz in Küchen- und Bauerngärten. Beide Mohn-Arten werden bereits in Kräuterbüchern des 16. und 17. Jahrhunderts erwähnt, wie bei Hieronymus Bock, Camerarius und Elsholtz. [1] Ende des 19. Jahrhunderts züchtete Reverend William Wilks, ein Mitglied der Royal Horticultural Society, in seinem Garten in Shirley (Surrey) die Sorte ‚Shirley Poppy’ in verschiedenen Farben mit weißen oder gelben Staubgefäßen, die aber im Gegensatz zur Art keinen schwarzen Fleck im Blattgrund haben. [2] Daraus gingen zahlreiche Formen mit einfachen und gefüllten Blüten in vielen Farbnuancen von weiß über lachsrosa, rosarot, hellrot bis dunkel-karminrot hervor, die heute als „Seidenmohn“-Mischung im Handel sind.

Als Arzneipflanze kommt dem Klatschmohn eine geringere Bedeutung zu als dem verwandten Schlafmohn, dessen Milchsaft Morphin und Kodein enthält und aus dem auch Opium gewonnen wird. Auch der Milchsaft des Klatschmohns ist leicht giftig, allerdings unterscheidet er sich mit seinem erheblich geringeren Alkaloidgehalt und anderen Inhaltsstoffen von dem des Schlafmohns. In der Volksmedizin wurde auch der Klatschmohn als schweißtreibendes, schleim- und krampflösendes, schmerzlinderndes, beruhigendes bis narkotisierendes Mittel eingesetzt, beispielsweise die Blütenblätter als Tee gegen Schmerzen und Schlafstörungen oder Blütensirup gegen Husten und Unruhe. [3a, 5] Nach heutigen Erkenntnissen gilt seine Heilwirkung als eher marginal. Die getrockneten Blütenblätter werden jedoch gerne als dekorativer Zusatz in Kräutertees verwendet. Früher dienten sie auch zum Färben von Ostereiern, Wolle und Stoffen, Säften und Käse. [3b]

Aufgrund seiner roten Farbe und seiner Wirkung hat der Klatschmohn zahlreiche Bedeutungen in Mythologie und Pflanzensymbolik, wobei oft nicht zwischen Schlaf- und Klatschmohn unterschieden wurde. So versuchte die griechische Göttin Demeter mit dem Saft des Mohns ihre Schmerzen zu lindern, als Pluto ihre Tochter Persephone in den Hades entführt hatte. Die Göttin Aphrodite wiederum fand durch den Mohn Beruhigung im Schmerz um den Tod ihres Geliebten Adonis. Mohn steht mit seiner Fülle an Samen aber auch für Fruchtbarkeit und Reichtum, weshalb sich Aphrodite und Hera als Göttinnen der Fruchtbarkeit mit seinen Samenkapseln schmückten. [4] Die christliche Ikonographie deutet das gemeinsame Vorkommen von Mohn und reifen Getreideähren als Gleichnis für Blut und Brot und damit als Symbol für die Passion Christi. [5] In der allgemeinen Pflanzensymbolik ist der Klatschmohn wiederum einerseits Sinnbild für Leben, Freude, Fülle und Glück, zugleich mahnt aber seine zarte, schnell verblühende Blüte an die Vergänglichkeit von Schönheit, Liebe und irdischem Erfolg. [5] Vor allem im englischsprachigen Raum sind Mohnblüten Zeichen des Gedenkens an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Tatsächlich wurde damals in manchen Gegenden in Flandern, Frankreich und am Isonzo in Italien nach großen Schlachten eine besonders üppige Mohnblüte beobachtet. Während man vielerorts glaubte, das Blut der gefallenen Soldaten habe die roten Blumen hervorgebracht, erklären Botaniker das Phänomen damit, dass Klatschmohn als Ackerunkraut auf dem aufgewühlten Boden gegenüber anderen Arten einen Konkurrenzvorteil hatte. [4]

Der Name Klatschmohn oder auch Klatschrose rührt von einem Kinderspiel her, das schon im Kräuterbuch von Leohnhard Fuchs 1543 beschrieben wurde: Aus Daumen und Zeigefinger wird ein Ring gebildet, auf den man ein Blütenblatt legt. Schlägt man mit der anderen Hand kräftig darauf, wird ein Klatschgeräusch erzeugt. Das Spiel diente auch als Liebesorakel, bei dem die Lautstärke des Klatschens entsprechend gedeutet wurde. Hieronymus Bock bezeichnete Klatschmohn auch als „Klapperrose“, was sich auf das Klappern der reifen Samen in der Kapsel bezieht. [3a]

Katrin Schulze


Rezept
Rote Tinte aus Klatschmohnblättern
(aus: Scherf, Gertrud, Alte Nutzpflanzen wieder entdeckt, München 2008)

Voll entfaltete Blütenblätter sammeln und dicht in ein Glas mit Schraubdeckel packen. Das Glas mit verdünnter Essigessenz (Verhältnis Essigessenz-Wasser 1:4) bis zum Rand auffüllen, verschließen und einige Tage an einem sonnigen Platz stehen lassen, ab und zu schütteln. Die Flüssigkeit schließlich durch ein feines Sieb abseihen.
Die „Tinte“ sollte nur für Gänsekiel-, Stahl- oder Glasfedern benützt werden, andere Schreibgeräte wie Füller können durch die Säure beschädigt werden.


Verwendete Literatur:
[1] Krausch, Heiz-Dieter, „Kaiserkron und Päonien rot...“ – Entdeckung und Einführung unserer Gartenblumen, München / Hamburg 2003
[2] http://www.seedaholic.com/papaver-rhoeas-shirley-poppy.html, aufgerufen 05.10.017
[3a] Scherf, Getrud, Zauberpflanzen und Hexenkräuter. Mythos und Magie heimischer Wild- und Kulturpflanzen, München 2001, S. 180-181
[3b] Scherf, Gertrud, Alte Nutzpflanzen wieder entdeckt, München 2008, S. 113/114
[4] Heilmeyer, Marina, Die Sprache der der Blumen. Pflanzen und ihre symbolische Bedeutung, München 2016, S. 58
[5] Zerling, Clemens, Lexikon der Pflanzensymbolik, Baden / München 2007, S. 184-187
[6] http://thomas-caspari.de/bodenkunde/france/index.htm


Abbildungen:
Abb. 1) Papaver rhoeas L., Botanische Wandtafel (o. J.),
Quelle: http://botanicalillustrations.org
Abb. 2) Papaver rhoeas L. auf den „Unkrauttafeln“ von E. Korsmo (1934-38), Quelle: http://botanicalillustrations.org
Abb. 3) Raoul Heinrich Francés Erfindung eines Haushalts-streuers, aus: Francé, Raoul Heinrich, Die Pflanze als Erfinder, Stuttgart 1920, Quelle: https://commons.wikimedia.org
Abb. 4) Klatschmohn als Pionierpflanze auf offenem Boden
(Foto K. Schulze)
Abb. 5) Klatschmohn in einem Bauerngarten in Südtirol
(Foto K. Schulze)
Abb. 6) Mohnblüte auf einem Feld in Polen (Foto Mark A. Wilson), Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Klatschmohn#/media/File:Polish_Poppies.JPG
Abb. 7) Mohnfeld bei Argenteuil (Gemälde von Claude Monet,1873), Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Monet_-_Mohnfeld_bei_Argenteuil.jpg

Bildergalerie
Zum Öffnen bitte auf ein Bild klicken