Mairübe
(Brassica rapa L. subsp. rapa L. var. majalis)
Gehen wir im Mai auf den Markt, wird uns eine ganz besondere Rübenart angeboten, die Mairübe. Ihre 6-8 cm messenden, meist kugelförmigen und stets großteilig weißen Rüben sind unverkennbar und eines der ersten im Frühjahr frisch erhältlichen Gemüse. Damit ist die Mairübe eine wertvolle Bereicherung der saisonal ausgerichteten Küche (1). Als eine schnell reifende Rübenart ist sie nach der Saat ab Anfang März in nur sechs bis acht Wochen erntereif (3). Sie lässt sich roh oder gekocht als Wurzelgemüse verzehren und ist aufgrund ihres hohen Wasser- und geringen festen Faseranteils sehr mild, zart und schmackhaft, ähnlich dem Kohlrabi.
Die Mairübe erhielt ihren Namen wohl aufgrund ihres zeitigen Erntetermins. Sie ist eine Weiterzüchtung, eine Variation, der Weiß-, Stoppel-, Herbst-, Speise- oder Wasserrübe (Brassica rapa L. subs. rapa L.) (6). Sie wird als ein Abkömmling der Wildform des Rübsens (Brassica campestris L.) bezeichnet (4). Des wilden Rübsens Vorkommen und seine Nutzung in steinzeitlichen Siedlungen konnte in archäobotanischen Untersuchungen belegt werden (5). Wann und wie aus diesem die Urkulturform (Brassica rapa L.) sowie die weiteren Kulturformen entstanden, ist noch nicht hinreichend geklärt (5). Eine Nutzung von weißen Rüben seit der Antike ist hingegen belegt, damals als "rapum" bezeichnet. In Werken antiker und mittelalterlicher Schriftsteller und überlieferten Zeichnungen, wie denen des Codex des Dioskurides aus den Jahren um 512 n. Chr., ist die Nutzung der rapum-Rübe zu medizinischen Zwecken und als Nahrungsmittel nachzuvollziehen (5). Die Nutzung von weißen Rüben als Gemüsepflanze ist in Deutschland seit dem frühen Mittelalter bekannt (5).
In der langen Kulturgeschichte der Weißen Rübe entwickelten sich zahlreiche Lokalformen, die sich neben ihrem Aussaat-termin in ihrer Wuchsform (kugel-, teller- oder spiralförmig, auch langgezogen) , ihrer Größe, sowie Färbung des Kopfes (weiß-rosafarben bis ins violett tönende Schattierungen oder gelbliches Fleisch) unterscheiden. Wichtige Sorten der Mairübe die in Deutschland bis in das 20. Jahrhundert hinein regionale Bekanntheit genossen sind beispielsweise das "Märkische" oder "Teltower Rübchen" (Brassica rapa L. subsp. rapa L. f. teltowiensis) im Berlin-Brandenburgischen Gebiet, die "Münchner Treibrübe" im Münchner Raum sowie die "Düsseldorfer Treibrübe" in Rheinländischen Gegenden (6).
Die "Teltower Rübchen" müssen hierbei als eine Sonderform der Mairüben angesprochen werden, da sie erst zur Zeit der Herbstrüben geerntet werden (5, 6). Sie erlangten insbesondere im Berliner Raum große Bedeutung, da sie gut auf kalkig-sandigen, leichten Böden gedeihen (5). Ihre langgezogene, fast birnenförmige Rübe wird 6-8 cm lang und besitzt ein eher gelbliches Fleisch (2). Sie haben einen etwas geringeren Wassergehalt, dafür aber einen höheren Stärkeanteil als die eigentliche Mairübe (5). Die Münchner Treibrübe hingegen zeichnete sich durch geschlitzte Blätter und eine platte Form mit rotem Köpfchen aus, die Düsseldorfer Rübe durch eine halblange, weiß-rötlich überzogene Rübe mit fein geschlitztem Laub (6).
Heute nicht mehr allzu oft in der gemeinen Küche verwendet waren Weiße Rüben im Allgemeinen spätestens seit dem Mittelalter ein weit verbreitetes Alltagsgemüse in Europa. Sie wurden in Scheiben auf dem Frühstücksbrot verzehrt oder als Zwischenmahlzeit über den Tag gegessen, ähnlich einem Apfel. Auch als Suppeneinlage, als Beilage zu Fleischgerichten oder, fein gehackt und eingemacht wie Sauerkraut, waren sie beliebt (6, 8). Die Verbreitung der Kartoffel verdrängte ihren Anbau zusehends.
Die Mairübe ist in allen Teilen genießbar. Da ihre Rinde einen hohen Anteil an Senfölen beinhaltet, sollte man sie jedoch vor dem Verzehr schälen. Ihr Blattwerk, ähnlich dem Spinat zubereitet, ergibt eine erfrischende Beilage, den Rübstiel.
Antje Schmidt-Wiegand
Verwendete Literatur:
(1) Krünitz, Johann Georg: May- oder Tellerrübe. In: Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats= Stadt= Haus= u. Landwirthschaft, in alphabetischer Ordnung. Erschienen in 242 Bänden in den Jahren 1773 bis 1858. Elektronische Version online einzusehen unter: kruenitz1.uni-trier.de, Seite 170 http://www.kruenitz1.uni-trier.de/
(2) Pro Species Rara: Mairübe - Sortenbeschreibung Teltower Rübchen. Online: http://www.prospecierara.ch/de/sortenfinder/ge-1171 (Stand: 29.4.2014)
(3) Becker-Dillingen, J.: Handbuch des Gesamten Gemüsebaues einschließlich des Gemüsesamenbaues, der Gewürz-, Arznei- und Küchenkräuter. Zweite, neubearbeitete Auflage, Verlagsbuchhandlung Paul Parey, Berlin, 1929
(4) Hegi, Gustav (1929?): Illustrierte Flora von Mitteleuropa. IV. Band, 1. Teil, J.F. Lehmanns Verlag, München , S. 259-263
(5) Körber-Grohne, Udelgard (1995): Nutzpflanzen in Deutschland von der Vorgeschichte bis heute. Lizensausgabe für Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Hamburg, copyright Theiss Verlag GmbH Stuttgart
(6) Anonymus (1922): Herbst- und Mairübe : ihre Kultur und Verwendung in gemeinverständlicher Darstellung. 8. Bändchen der Scholle=Bücherei der Österreichischen Landwirtestelle, herausgegeben von der "Planta" Österreichische Samenzucht=, Gemüsebau= und Obstverwertungs=Aktiengesellschaft Wien. Scholle=Verlag, Leipzig, Wien, Zürich, 30 Seiten
(7) Cheers, Gordon (Hrsg.) (1999): Botanica. Das ABC der Pflanzen. 10.000 Arten in Text und Bild. 3. Überarbeitete Auflage, Könemann, Köln
(8) Reiner, Ludwig; Amon, Harald (2001): Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe. In: Samensurium, 12/2001, VEN - Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt e. V. (Hrsg.), S. 35-53.
Abbildungen:
Fig. 1 Anonymus (1922): Herbst- und Mairübe : ihre Kultur und Verwendung in gemeinverständlicher Darstellung. 8. Bändchen der Scholle=Bücherei der Österreichischen Landwirtestelle, herausgegeben von der "Planta" Österreichische Samenzucht=, Gemüsebau= und Obstverwertungs=Aktiengesellschaft Wien. Scholle=Verlag, Leipzig, Wien, Zürich, 30 Seiten, Farbtafel zwischen Seite 16 und 17.
Fig. 2-4 Mairübe, Fotografien Mai 2014, Antje Schmidt-Wiegand
Rezept:
Rübstiel
(auch: Stengelgemüse, Rübenstengel oder Stielmus)
"Aus den Blattstielen und Blattrippen der weißen oder gelbfleischigen runden Mairübe bereitet man in Deutschland durch Abstreifen der Blätter oder, wenn diese noch jung und zart sind, auch aus den unabgestreiften Stielen ein beliebtes Frühgemüse. Man wäscht die Stiele und Rippen, kocht sie in offenem Gefäße in leicht gesalzenem Wasser, seiht sie ab und schneidet sie zu kleinen Scheibchen (Häckselmaschine). Hierauf bereitet man eine Einbrenn, die man mit Milch oder Selchsud aufgießt, gibt die vorbereiteten Rübenstiele hinein, dünstet sie und würzt das Gemüse mit Salz und etwas Muskatnuß."
(Quelle: 6, S. 24)